Ein Jahr in London
vornehmsten Toiletten ganz Britanniens sind? Ich schicke schnell eine SMS an Elli: „Bin im Klo von B. Palace. Sehr schick!“
Als ich auf meinen Platz zurückkehre, merke ich mitSchrecken, dass Mr Thomsons Kinn immer weiter nach vorne fällt. Ich stoße ihn vorsichtig an.
„Charles kommt jetzt jeden Moment.“
Tatsächlich tritt endlich der Zeremonienmeister auf das Podium und das Quartett spielt die Nationalhymne.
„Please stand for our Royal Highness, the Prince of Wales!“
Es wird still, dann springen alle auf, während Charles hinter einem Vorhang hervorkommt und ungeschickt auf das Podium steigt.
„ Oh, Ladies and Gentlemen. Yes. Thank you, thank you . Bitte setzen Sie sich.“
„Isn’t is exciting?“ Mr Thomson kneift mir in den Arm.
„Ja, wirklich sehr aufregend.“
Die erste Frau tritt für ihre Ehrung auf das Podium, knickst vor Charles, schüttelt ihm die Hand und redet eine Weile mit ihm. Dann der Nächste. In einer endlosen Prozession zieht eine Person nach der anderen an uns vorbei, um ihre Medaille in Empfang zu nehmen. Nachdem sich die erste Aufregung, im gleichen Raum wie Prinz Charles zu sein, gelegt hat, fange ich mich an zu fragen, wann es denn nun endlich das Festmahl gibt. Mein Magen knurrt so laut, dass ich fürchte, der ganze Saal könnte es hören, und meine Angst bestätigt sich, als beim nächsten Knurren sogar der Prinz in meine Richtung schaut.
„Weißt du, weshalb Charles auf keinen Fall König werden kann?“, flüstert mir Mr Thomson zu.
Ich schüttele den Kopf.
„Weil es keine Banknoten gibt, die groß genug wären für auch nur eines seiner Ohren!“ Er lacht laut auf und unsere Platznachbarn werfen uns böse Blicke zu.
Doch nach über einer Stunde dieser Ehrungen geht selbst den Geduldigsten im Saale die Konzentration aus. Die einzige Abwechslung besteht aus einem offensichtlich etwas kurzsichtigen Mann, der beim Heruntersteigen vom Podium die Stufe verfehlt und eine Bauchlandung vor einem der Palastangestellten macht.
„War Eileen schon an der Reihe?“, fragt Mr Thomson mich alle zehn Minuten.
Und dann endlich, nach scheinbar stundenlangem Warten, erscheint Eileens rosafarbener Hut, der so groß ist, dass sie darunter fast ganz verschwindet. Mit ihren kurzen Beinen und dem langen Kleid hat sie Schwierigkeiten, die Stufen hinaufzuklettern, schafft es dann aber doch, knickst gleich dreimal vor Charles und nimmt ihre Medaille entgegen. Innerhalb von drei Minuten ist alles vorbei und der Nächste tritt heran.
Mr Thomson stößt mir aufgeregt in die Seite und sagt etwas zu laut:
„Das war unsere Eileen! Sah sie nicht umwerfend aus!“
Als sie beim Herausgehen in unsere Richtung blickt, winkt er ihr aufgeregt zu: „Eileen! We’re here!“
Der Mann in der Reihe vor uns dreht sich verärgert zu uns um und hält einen Finger vor den Mund.
„Ach, was sind das alles für aufgeblasene Wichtigtuer hier“, flüstert Mr Thomson mir zu. „Kaum sind sie in der Gesellschaft von Adligen, denken sie, sie wären selbst blaublütig.“
Als bodenständiger Nordengländer, der seit seiner Kindheit in der gleichen Straße wohnt und als Postbote arbeitet, ist Mr Thomson von dem Prunk an dem heutigen Tage nicht besonders beeindruckt. Aber auf das Essen freut er sich trotzdem.
Als endlich die letzte Person dem Prinzen die Hand geschüttelt und der unter einem erneuten Aufspielen der Nationalhymne den Saal verlassen hat, erheben wir uns und folgen den anderen Gästen zum Ausgang.
„Bei solchen Festmahlen gibt es an die zehn Gänge, habe ich gehört. Zuerst Hummer und Lachs in Weißweinsauße, dann Wildschweinfilet mit Pellkartoffeln ...“ Während Mr Thomson ein exotisches Gericht nach dem anderen aufzählt, treten wir auf einen der riesigen Korridore des Palastes hinaus, der allein schon Platz genug für mehrere Fußballfelder bietet. Hier treffen wir auf die Ordensempfänger und nach einigem Geschiebe arbeiten wir uns bis zu Eileen hervor.
„Er war ja so charmant“, wiederholt sie nur immer wieder.
„Was hat er denn zu dir gesagt?“
„Ich weiß es nicht.“
„Du weißt es nicht? Du musst doch wissen, was er gesagt hat!“, stellt Mr Thomson fest, aber Eileen zuckt nur mit den Schultern.
„Ich war viel zu aufgeregt, um richtig zuzuhören. Ich glaube, er hat gesagt, dass er meine Radiosendungen schon seit Jahren bewundert.“
„Radiosendungen?“, frage ich erstaunt.
„Ich glaube, er dachte, ich sei Alice O’Reilly von Radio One.“
„Alice
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