Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein Jahr in London

Titel: Ein Jahr in London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Regeniter
Vom Netzwerk:
O’Reilly ist doch gerade mal 25, wie kann er euch beide denn verwechseln?“, fragt Mr Thomson.
    „Ich weiß, deshalb bin ich ja so glücklich.“
    Wir folgen den aufgeregt plaudernden Gästen den Korridor hinunter, während Eileen uns glücklich zum hundertsten Male erzählt, wie nett Charles sie angelächelt habe.
    Wir gehen eine große Treppe hinab und gelangen dann auf den weiten Innenhof, von dem aus man die Tore zur Pall Mall sieht. Die anderen Gäste verstreuen sich, alle machen Fotos.
    „ Excuse me , wissen Sie, in welchem Raum das Festmahl stattfindet?“, fragt Mr Thomson einen selbst etwas verloren wirkenden Gentleman, der alleine auf dem Platz auf- und abläuft.
    „Festmahl? Ja, da fragen Sie wohl am besten die Queen.“ Die Frage scheint ihn köstlich zu amüsieren.
    Eileen und Mr Thomson werfen sich verärgerte Blicke zu.
    „Und was soll das heißen?“
    Eileen tritt entschlossen auf einen der Wächter im roten Frack mit großem Bärenpelz-Hut zu.
    „Wissen Sie zufällig, wo das Festmahl stattfindet?“
    Der Wächter zuckt weder mit der Wimper noch schaut er auch nur für eine Sekunde in Eileens Richtung.
    „Ich glaube nicht, dass die während ihres Dienstes reden dürfen, Eileen“, werfe ich ein, worauf Eileen ihn energisch am Ellbogen packt.
    „Excuse me, ich habe Sie etwas gefragt!“ Der Wächter starrt weiter unbewegt vor sich hin, während ein Sicherheitsbeamter schnell auf Eileen zuläuft.
    „Madam, ich sehe, Sie haben ein Problem?“
    „Yes, mein Magen knurrt, und ich möchte wissen, wo und wann das Festessen serviert wird.“ Und mit einem Lächeln fügt sie hinzu: „Ich habe nämlich heute von Prinz Charles einen Orden erhalten, wissen Sie.“
    „Ich weiß leider nicht, wovon Sie reden, Ma’am, die Feierlichkeiten zur Ordensverleihung sind beendet, fürchte ich.“
    „Aber mir wurde erzählt, es gebe anschließend ein festliches Bankett.“
    Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie eine Gruppe von Gästen nach der anderen durch die Tore nach draußen geht. Ich frage mich, wie Eileen jemals darauf kommen konnte, dass wir gleich noch zum Lunch mit dem Prinzen eingeladen wären.
    „I’m very sorry, Ma’am, aber die Festlichkeiten sind beendet. Ich fürchte, Sie müssen den Palast jetzt verlassen.“
    Als wir schließlich zu dritt wieder vor den Toren inmitten der Horden von Touristen stehen, ist die Stimmung gedrückt.
    „ Du hattest erzählt, es gäbe bei solchen Gelegenheiten immer anschließend ein Bankett!“
    „Nein, Eileen, du hast mir von Anfang an erzählt, du wärest zur Ehrung und zum anschließenden Festessen eingeladen. Wieso hätte ich das anzweifeln sollen? Stimmt das nicht, Anna?“
    Ich füge diplomatisch hinzu, dass ich es für normal gehalten hätte, bei einer solchen Gelegenheit wenigstens ein paar Snacks zu bekommen.
    „Wenn man bedenkt, dass wir mit unseren Steuern zum Einkommen der Royals beitragen, könnten sie ruhig ein bisschen großzügiger sein.“
    „Jetzt fang bloß nicht wie Elli an. Es ist ja schon nett genug, dass wir überhaupt eingeladen waren.“
    „Ja, aber die Queen haben wir auch nicht gesehen. Keine Königin und nicht mal ein Sandwich. Ich fühle mich betrogen.“
    Um den Tag noch zu retten, beschließen wir, in ein billiges, aber nettes Restaurant in der Baker Street zu gehen. In unserer komischen Aufmachung werden wir in der U-Bahn selbst von den sonst sehr abgebrühten Einheimischen etwas misstrauisch gemustert. Ein kleines Kind, offensichtlich gerade auf dem Weg zum Sherlock-Holmes-Museum, fragt seine Mutter, ob es sich bei Mr Thomson um Dr Watson halte.
    „Aber nein, Kind, das ist nur ein Schauspieler, der sich so verkleidet hat, der echte Dr Watson ist schon lange tot.“
    Die Tapas-Bar, in der wir unsere knurrenden Mägen endlich beruhigen, ist zwar weit entfernt vom Thronsaal im Buckingham Palace, aber wenigstens ist sie auch ein bisschen lebendiger. Wir teilen uns einen langen Tisch mit mehreren anderen Gruppen von Südamerikanern, Franzosen, Australiern und Briten, die alle angeregt in ihren verschiedenen Sprachen weiterreden, als wir uns zu ihnen setzen.
    Nach einigen Gläsern Wein ist auch Eileen wieder besser aufgelegt und unterhält bald alle Völkergruppen an unserem Tisch mit Berichten von ihrer heutigen Ehrung. Die, je mehr sich die Weinflasche leert, immer fantastischer klingen.
    „Und dann sagt Charles zu mir: ‚Mrs Butcher, gestern noch habe ich mit Camilla über Ihre Arbeit mit jungen Menschen, die auf die schiefe

Weitere Kostenlose Bücher