Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein Jahr in London

Titel: Ein Jahr in London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Regeniter
Vom Netzwerk:
beschmiert, wird von den meisten Engländern zum Glück nur am Wochenende gegessen. Dafür wird es aber dann aber auch in vollen Zügen genossen, entweder zu Hause selbst gekocht oder halt wie hier im Caff , in dem die verschiedensten Varianten des Breakfast serviert werden: vegetarisch, mit oder ohne black pudding , der allerdings nichts mit Pudding zu tun hat, sondern aus Blutwurst besteht, oder mit Bubble-and-Squeak , einem Kartoffel- und Gemüsebratling anstatt der Pilze.
    „So viel esse ich sonst kaum in einer ganzen Woche“, stöhnt Karmen, nachdem sie ihren Teller bis auf den letzten Krümel geräumt hat und gierig auf meine Überreste schaut. Neben uns sitzt die übliche Primrose-Hill-Schickeria, zusammen mit einigen Rentnern, die sich hier täglich zum ausgiebigen Klatsch treffen.
    Wir treten mit vollem Magen auf die Straße. Mit Mühe schaffen wir es noch bis zur U-Bahn-Station. Die Tube ist heute leider mal wieder hoffnungslos überfüllt, was mich freut, da Karmen somit ein ganz authentisches Londonerlebnis bekommt.
    Nach langem Warten gelingt es uns, einen der Züge Richtung Süden zu besteigen, und der Wagen fährt mit einem Ruck an. Doch nur einige Sekunden später bleiben wir mitten im Tunnel wieder stehen und es bewegt sich nichts weiter. Erst nach einer zehnminütigen Wartezeit fangen die ersten Leute an, sich zu räuspern und genervt auf ihre Uhren zu schauen.
    Ein einzelnes „Jeden Tag das Gleiche!“ ertönt aus einer Ecke, doch der Rest der Fahrgäste verharrt in gesitteter Stille. Bis aus den Lautsprechern plötzlich ein Knistern erklingt und der Fahrer sich zu Wort meldet.
    „ Ladies and Gentlemen , der Streckenverantwortliche scheint gerade Mittagspause zu machen. Er antwortet nicht auf meine Anrufe. Es tut mir leid. Ich kann nichts dafür. Es tut mir wirklich leid. Seien Sie mir nicht böse. Ich versichere Ihnen, ich werde Sie alle bald nach Central London bringen.“
    Einige Sekunden später setzt der Zug sich in Bewegung, und wir treffen bald in Leicester Square ein und steigen aus.
    „Ah, Letschester Square!“, ruft Karmen auf der Rolltreppe Richtung Ausgang, während die Einheimischen voll Grauen zusammenfahren.
    „Man spricht das Lester Square aus“, flüstere ich ihr im Lehrerton zu, während wir die U-Bahn verlassen.
    Den Leicester Square selber lassen wir links liegen und gehen weiter Richtung Themse. Doch bevor wir zum Fluss kommen, gibt es einen kurzen Abstecher in die National Portrait Gallery. Auch in einer so teuren Stadt wie London gibt es etwas umsonst, und das sind Museumsbesuche. Nicht ein einziges der staatlichen Museen verlangt auch nur einen Penny Eintrittsgeld, so dass man auch mal für nur eine Viertelstunde in einer beliebigen Gallerie ohne Schuldgefühle vorbeischauen kann. Und in welchem anderen Nationalmuseum kann man sich unter dem Vorwand der Kunst ein einstündiges Video eines schlafenden David Beckham anschauen oder Portraits von Oasis und Kate Moss nebeneinander betrachten?
    Eine Gruppe von Schulmädchen sitzt in einem Kreis voreinem Robbie-Williams-Abbild und zeichnet eifrig dessen Konturen auf ihre Malblöcke. Wir unterdessen schauen uns einige Minuten lang den Beckham-Film an, der das Gesicht des schlafenden Fußballspielers zeigt.
    „Sehr atmosphärisch, findest du nicht auch?“, bemerkt eine alte Frau, die sie sich grüblerisch das Kinn reibt.
    Ihre Freundin lächelt angetan. „Er sieht so friedlich aus.“
    Der kleine Junge an ihrer Hand jedoch, vielleicht ihr Enkel, hüpft ungeduldig auf und ab. „Passiert denn in dem Film noch was?“
    Nach fünfminütigem Betrachten des völlig regungslosen Beckham entscheiden wir, dass die Antwort wahrscheinlich nein ist, und gehen weiter. Für die älteren Portraits von Königen und Adligen in Kniebundhosen und Perücken in den höheren Stockwerken fehlt uns heute die Geduld und wir gehen stattdessen weiter in Richtung Themse.
    Ich erinnere mich an meine erste Woche in London, die ich hier ganz in der Nähe in einem billigen Hotel verbracht habe. Wir gehen kurz in den Kiosk, in dem ich immer mein Anzeigenblättchen kaufte, und zu meiner Überraschung erkennt mich der pakistanische Verkäufer sogar wieder.
    „ Ah, my friend ! Haben Sie eine schöne Wohnung gefunden?“
    Ich erzähle ihm von meinem Zimmer im schönen Primrose Hill und meinem Job.
    „ Primrose Hill no good, Sie müssen ins West End ziehen. The West End is much better!“
    Ich verspreche ihm, es in Erwägung zu ziehen und bald wieder bei

Weitere Kostenlose Bücher