Ein Jahr in London
Kombination von Pommes. Pommes und Bohnen, Pommes und zermatschte Erbsen, Pommes und Schinken, Pommes und Ei, Pommes und Curry und Pommes mit Kartoffeln. Alles serviert mit einer gehörigen Portion Malzessig und viel Salz.
Das britische Nationalgericht ist jedoch weder Fish and Chips noch Chips and Eggs oder der Sunday Roast. Das beliebteste Essen der Engländer ist Chicken Tikka Masala, ein indisches Hühnchengericht, das im Tandoori-Ofen mit einer milden Gewürzmischung zubereitet wird. Kein Wunder eigentlich, denn in London findet man die besten indischen Restaurants außerhalb Indiens. Selbst der Sultan von Brunei soll sich öfters sein Abendessen aus seinem Londoner Lieblingsrestaurant nach Brunei einfliegen lassen.
Und das allerbeste indische Restaurant der Welt ist nur drei Minuten von mir entfernt, gleich gegenüber in der Holloway Road, und heißt Red Rose. Schade ist nur, dass der Besitzer und Chefkoch, Mr Iqbal, etwas launisch sein kann. Ist er gut aufgelegt, so begrüßt er mich mit einer überschwänglichen Umarmung, ruft seinen Mitarbeitern zu, dass die lovely Lady aus Germany wieder da sei, und bringt mir kleine Geschenke: einen pakistanischen Kalender (denn Mr Iqbal ist gar nicht wirklich aus Indien), ein extra Naan-Brot oder ein paar indische Süßigkeiten. Er erzählt mir, dass er bald mit der Rockgruppe The Darkness auf Tour nach Amerika und Australien gehen würde, weil die es ohne seine Balti-Gerichte unmöglich länger als eine Woche aushalten könnte, was ich für ziemlichen Unfug halte, bis er mir mehrere Ausschnitte aus Musikmagazinen zeigt: Mr Iqbal wird tatsächlich bald auf Welttournee gehen. Ich bin untröstlich.
„Aber ich werde zurückkommen. Irgendjemand muss ja für dich kochen!“ Betrete ich sein Restaurant jedoch aus Versehen während eines Arsenal-London-Spiels, ist es mit seiner Gastfreundschaft weniger gut bestellt. Der Fernseher ist auf volle Lautstärke gestellt, das ganze Kochteam sitzt mit Turban andächtig vor dem Bildschirm und Mr Iqbal kommentiert jeden Ballstoß mit Gefluche und wilden Gebärden. Unterbreche ich dann, etwa um eine Bestellung aufzugeben, winkt er nur ab.
„Moment, ich kann gerade nicht.“
Wenn ich Glück habe, wird das Spiel dann irgendwann von Werbung oder der Halbzeit unterbrochen und er kommt missmutig zur Theke. „Es kann aber noch was dauern. Komm mal in einer Stunde wieder.“
Wenn die Gunners aber gewinnen, und die Fans im Autokorso vom nahe gelegenen Stadion aus die Holloway Road hochfahren, ist meine Portion dann plötzlich doppelt so groß wie sonst und extra würzig. Da wartet man gern eine Extrastunde.
Das Schlimmste aber an Mr Iqbal ist, dass er extrem eifersüchtig ist. Sieht er mich etwa mit einer Plastiktüte vorbeilaufen, die aussieht, als könnte sie ein Take-away von einem anderen Restaurant enthalten, wirft er mir giftige Blicke zu und weigert sich, zurückzugrüßen. Ganz schlimm wird es, wenn ich mal ein bisschen knapp bei Kasse bin und mir mehrere Wochen kein Take-away leisten kann. Anstatt des üblichen „ long not seen “, also „wir haben uns aber lange nicht gesehen“, ruft er mir ein „long not ordered“ – „lange nicht mehr bestellt“ – hinterher. Und schaut mich an, als hätte die lange Abwesenheit ihn zutiefst gekränkt.
Irgendwann geht es so weit, dass ich einen weiten Umweg um das Red Rose mache, um Mr Iqbals ständigen Forderungen zu entgehen. Von nun an werde ich mein traditionelles freitagabendlichen Take-away in aller Ruhe im Sitara ein bisschen weiter die Straße aufwärts bestellen. Oder gleich selbst kochen.
Am kommenden Freitagabend, an dem ich die Wohnung für mich alleine habe, lade ich Jake sogar auf eine Paella zu uns ein. Als ich mit meinem neuen Kochbuch in der Küche stehe, wird mir jedoch bald bewusst, dass ich vergessen habe, Safran zu kaufen. Und ohne Safran wird die Paella nicht gelb. Ich laufe die Straße hoch und durchsuche den Coop, Sainsbury’s und sämtliche kleinere Tante-Emma-Läden, doch niemand verkauft Safran oder wüsste auch nur, wo man welchen bekommen könnte.
„Ist aber auch sehr teuer, ich würde es einfach weglassen“, empfiehlt mir die Verkäuferin in einem der kleineren Läden. So schnell gebe ich aber nicht auf. Ich versuche es bei Nash.
Nashs Kiosk liegt rechts neben Savvis Schnellimbiss. So wie Savvis seinen Imbiss kurzerhand nach sich selber genannt hat, kennen wir Nashs Namen auch zuerst nur von dem großen Schriftzug an seinem Geschäft – „Nash.
Weitere Kostenlose Bücher