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Ein Jahr in London

Titel: Ein Jahr in London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Regeniter
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unsere Lydia vertan haben. Sie ist manchmal etwas schusselig. Gib’ mir 50 Pence, und damit hat sich’s.“ Ich mache mich glücklich auf den Heimweg.
    Meine Gehaltskürzung erzwingt allerdings noch drastischere Maßnahmen als den Besuch von Charity Shops. Als Barry, mein Vermieter, mir wieder ohne Ankündigung an einemSonntagmorgen einige Bauarbeiter an den Hals schickt, verliere ich langsam die Geduld.
    „Wir bauen eine Zentralheizung ein. Das bedeutet natürlich, dass die Miete etwas steigen wird“, erklärt er mir auf meine aufgebrachten Fragen, warum ich an diesem Wochenende schon wieder unangekündigt aus meinem Zimmer geworfen werfe.
    „Steigen?“
    „Um die zehn Pfund pro Woche. Ich kann die Kosten ja schließlich nicht alleine tragen.“ Er erzählt mir dann, wie er unser Haus vor zwanzig Jahren für einen Spottpreis von 25.000 Pfund ersteigert hat, es jetzt aber weit mehr als eine halbe Million Pfund wert sei. Deshalb sollten wir froh sein, dass er das Haus nicht einfach verkaufe, um einen großen Gewinn zu machen, und wir dann ganz ausziehen müssten.
    Das allerdings muss ich nun sowieso, denn selbst zehn Pfund mehr pro Woche kann ich mir im Moment nicht leisten. Die Wohnungssuche beginnt wieder von vorne, diesmal verläuft sie aber bedeutend einfacher als bei meiner Ankunft in London. Denn es stellt sich heraus, dass auch Maddie umziehen will, weil ihre Wohnung zu klein und dunkel ist.
    „In einer WG spart man schnell ein Drittel des Mietpreises, und wir könnten zusammen zur Arbeit und zurück fahren.“
    Ich finde das eine gute Idee, besonders da Maddie seit vielen Jahren in London lebt und jede Menge Leute kennt, die Wohnungen zu vermieten haben, gerade ausziehen wollen oder neue Mitbewohner brauchen. Wir schauen uns also gemeinsam eine Wohnung nach der anderen an und entscheiden uns dann für eine Dachwohnung an der Holloway Road im nördlichen Stadtteil Islington .
    „Ich ziehe auf Seite 29 um!“, erzähle ich Elli aufgeregt, nachdem wir den Vertrag unterschrieben haben. Mittlerweile assoziiere ich die verschiedenen Gegenden Londons hauptsächlich mit den Seiten meines A–Z, dem Londoner Straßenatlas.
    „Von Seite 66 nach Seite 29, sehr aufregend“, bemerkt Elli. „Das ist London von seiner besten Seite.“
    Die Holloway Road ist eine der großen Verkehrsadern Londons, sie führt von der Londoner City bis in die Grafschaft Hertfordshire. Selbst bei geschlossenen Fenstern (Einfachverglasung versteht sich, von Doppelverglasung halten die Engländer nicht viel) ist es hier lauter als in Primrose Hill während der Bonfire Night. Auch ist die Straße selber lange nicht so malerisch schön wie das nette Primrose Hill.
    Aber: Wir haben beide unser eigenes Zimmer, ein geräumiges Wohnzimmer und ein teppichloses Bad, das wir nicht mit vier anderen Personen teilen müssen, und bezahlen trotzdem nur einen Bruchteil der vorherigen Miete. Unsere Nachbarschaft besteht aus einigen wenigen Geschäften, die auf der einen Seite von einem kleinen Park, auf der anderen Seite von einer abzweigenden Straße begrenzt wird. Und der Kommandant dieser Kleinkommune ist Savvis, der Imbiss-Besitzer. Savvis und seine Frau, beide ursprünglich Zyprioten, haben zwar auch noch ein Haus in der Londoner Randlage, verbringen aber die meiste Zeit ihres Lebens in ihrem Laden, der fast zu jeder Tages- und Nachtzeit geöffnet ist.
    Wenn wir nach einer Party erst in den frühen Morgenstunden nach Hause kommen, sitzt Savvis auf einem Stuhl vor unserer Haustür und erzählt uns die Ereignisse des Abends. Dass im irischen Pub gegenüber eine Prügelei stattgefunden hat und die Polizei kommen musste, dass unter uns eine Frau eingezogen ist, die ihm sehr französisch erscheine, sie könne aber auch italienisch sein, jedenfalls sehe sie sehr schick aus, wäre aber ein bisschen hochnäsig, und dass die jüngste Tochter des Waschsalonbesitzers nebenan vorgestern geheiratet hat.
    Es ist beruhigend zu wissen, dass niemals jemand auch nur einen Schritt durch unsere Haustür machen könnte, ohne dass Savvis davon Wind bekäme. Währenddessen steht seine Frau Helena Stunde um Stunde hinter der Theke und bereitet einen Döner nach dem anderen zu, bis um vier Uhr morgens endlichLadenschluss ist. Am nächsten Tag um Punkt zehn machen sie dann wieder auf und Savvis bedient die Kunden, während Helena sich auf der Couch im Hinterzimmer eine kleine Pause gönnt.
    Neben Kebab und Döner gibt es natürlich auch Fish and Chips und jegliche andere

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