Ein Jahr in New York
waren die Waschsalons nicht nur praktisch, sondern notwendig und überall. Die gute deutsche Miele vermisste ich trotzdem. Denn so richtig weiß wurde meine weiße Wäsche schon jetzt nicht mehr. Beim Umzug vermisste ich die gute Miele auf jeden Fall nicht. „Und der schwergewichtige Eiche-rustikal-Kleiderschrank bleibt uns auch erspart“, murmelte ich vor mich hin. „Wozu ein Kleiderschrank?“, fragte Noelle, „ich habe noch nicht mal genug Klamotten, um meine beiden Wandschränke vollzuhängen.“ Dass eingebaute Wandschränke in Deutschland nicht Standard sind, fand Noelle sehr merkwürdig. Ich eigentlich auch. Nichts ist praktischer und schöner als ein Einbauschrank.
„Eine Two-Bedroom-Wohnung musst du dir erst gar nicht anschauen“, ging Noelles Vortrag zur Wohnungssuche weiter, als ich laut darüber nachdachte, mir erst eine eigene Wohnung und dann den passenden Mitbewohner zu suchen. „Um von einer Hausverwaltung einen Mietvertrag zu bekommen, brauchst du nämlich definitiv einen ‚Credit Report‘“, fuhr Noelle fort. Was zum Teufel ist ein „Credit Report”?
„Die Banken protokollieren, wie zuverlässig du deine Kreditkartenrechnungen bezahlt hast. Und darauf kann dann jeder zurückgreifen, der deine finanzielle Glaubwürdigkeit checken möchte“, erklärte sie. „Und nach drei Monaten hast du sicher noch keine, oder?“ Nein, ich besaß zudiesem Zeitpunkt noch keine amerikanische Kreditkarte, somit auch keinen Beweis für meine finanzielle Glaubwürdigkeit. „Ich würde aber wirklich gerne in Manhattan bleiben“, insistierte ich kleinlaut und wollte meine Hoffnung trotz allem nicht aufgeben.
Dann kam alles anders als erwartet. Ich musste weder meine Zahlungsfähigkeit beweisen, noch frustrierende Wohnungen besichtigen, noch nach Brooklyn ausweichen und landete letzten Endes trotzdem dort. Alles war plötzlich ganz einfach.
Es fing damit an, dass mein Kollege Christian und ich auf eine Vernissage in Tribeca eingeladen waren. Am Ende des Abends hatte ich ein WG-Zimmer. Quasi in der Galerie, die eigentlich ein Loft war, das einer Deutschen namens Ute gehörte. In dem vorderen großen, hohen Raum mit dem Betonfußboden wurde Kunst ausgestellt. Im hinteren Bereich wohnte und arbeitete Ute. Irgendwo dazwischen lag meine potentielle zukünftige Wohnbox. Anders konnte man das links oben in die Galerie gebaute Zimmer nicht nennen. Statt eines Fensters hatte diese Box zwei semitransparente Wände, durch die das Licht aus dem Hauptraum dämmerte. Um in das Zimmer zu gelangen, musste man über eine Treppe ein Stockwerk höhersteigen und dann über eine Art Brücke ohne Geländer zur Tür balancieren. Ich fühlte mich wie in einem urbanen Baumhaus. „Das Zimmer wird zufällig nächstes Jahr frei. Wenn du willst, kannst du einziehen“, bot Ute mir an. Ermutigt durch mehrere Gläser Sekt sagte ich noch am selben Abend zu. Bedenken über mangelnde Privatsphäre spülte ich einfach mit noch mehr Alkohol herunter. Genau so hatte ich mir mein Leben in Downtown vorgestellt, redete ich mir ein. Ein cooles Loft in Tribeca und als Vermieterin ein kreativesMultitalent. Was Ute ganz genau machte, war mir nicht klar, weil sie irgendwie alles machte und jeden kannte. Sie brachte ein eigenes Kunstmagazin heraus, einen City Style Guide, managte ihre eigene Galerie, vermietete einige Zimmer, und Mode entwarf sie auch.
Einige Stunden und eine lange U-Bahn-Fahrt später lag ich glücklich im Bett. Bevor meine Wohnungssuche überhaupt begonnen hatte, konnte ich sie erfolgreich abschließen. Die Pendelei hat bald endlich ein Ende, war mein letzter Gedanke, bevor ich einschlief.
„Nadine, ich habe eine Wohnung für dich“, begrüßte Vanessa mich freudestrahlend am nächsten Morgen im Büro, „in Williamsburg, im Haus einer Holländerin. Ich habe dort mal für ein paar Monate gelebt. Du wirst es lieben. Sie hat gestern bei mir angerufen und gefragt, ob ich jemanden kenne, der ein Zimmer sucht.“ Ich musste grinsen. „Du wirst es nicht glauben, aber ich habe schon ein Zimmer“, lachte ich und erzählte ihr von der Galerie in Tribeca.
„Das klingt ja alles ganz nett, aber willst du wirklich in so einer Box wohnen? Und was ist, wenn die ständig Galeriepartys feiert?“, gab Vanessa zu bedenken. So weit mochte ich eigentlich noch gar nicht denken. „Dann feiere ich einfach mit“, sagte ich und wollte Vanessas Zweifel damit wegwischen. „Du musst dir bitte Paulas Haus anschauen. Die Wohnung ist so niedlich,
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