Ein Jahr in New York
seinem Informationsdienstleistungs-, Nachrichten- und Medienunternehmen „Bloomberg L. P.“ ein Milliardenvermögen verdient, lange bevor er sein Amt antrat. Bloomberg ist bei den New Yorkern sehr beliebt. Nicht nur wegen seiner liberalen Gesinnung, seines pragmatisch erfolgreichen Führungsstils und seiner wirtschaftlich effizienten Politik. Sondern auch, weil er als engagierter Philanthrop allein im Jahr 2006 165 Millionen an kulturelle und soziale Organisationen sowieEinrichtungen im Gesundheits- und Bildungswesen gespendet hatte, demonstrativ auf sein Bürgermeistergehalt verzichtet, stattdessen von der Stadt symbolisch einen Dollar pro Jahr kassiert und von seiner Upper-East-Side-Residenz mit der U-Bahn zur City Hall fährt, statt sich von seiner Limo kutschieren zu lassen. Aufgrund seiner Initiative sind Zigaretten aus den Restaurants verschwunden und Transfettsäuren von den Speisekarten. Vor kurzem hat er die Republikanische Partei verlassen, um als unabhängiger Politiker weiterzuarbeiten. Bei vielen New Yorkern steht er ganz oben auf der Wunschliste als geheimer Kandidat für die nächste Präsidentschaftswahl. Die Gutmensch-Liste lässt sich ewig fortsetzen. Laut Times Magazine ruft Bloomberg sogar täglich bei seiner 98-jährigen Mutter an.
Und da standen Maren und ich nun vor den schnaubenden Pferden. „Ziemlich touristisch“, sagte ich und tätschelte einem Schimmel unentschlossen den muskulösen Hals. „Na und, ich bin ja eine!“, grinste Maren entschlossen. Also stiegen wir in die Kutsche und waren zwei Minuten später trabend im dunklen Central Park verschwunden. Um uns herum flimmerte die Stadt. Die friedliche Stille wurde nur vom rhythmischen Klappern der Hufe durchbrochen. „Wow, das ist echt wie im Film“, sagte Maren. Ein Gänsehautmoment, gepaart mit sentimentalen Glücksgefühlen.
„Und“, fragte ich, „wie hat es dir gefallen?“ Maren überlegte einen kurzen Augenblick. „Die Stadt ist wirklich ein Traum, und ich hatte eine fantastische Zeit. Aber leben könnte ich hier nicht“, gab sie ehrlich zu, „auf Dauer wäre mir New York zu anstrengend, zu laut, zu anonym. Ich bin lieber zu Besuch hier.“ Kurz geriet ich in Versuchung, Maren mit einem Schwall Argumente vom Gegenteil zu überzeugen. „Aber wenn man hier lebt, ist die Stadt wieein gemütliches Dorf, und trotzdem hat man dieses unerschöpfliche Angebot. Wirklich, du hast doch gesehen, alles liegt in Reichweite von drei Blöcken, ob es der Bäcker ist, der kleine Lebensmittelladen, das Blumengeschäft. Und von wegen anonym, hier grüßen einen mehr Menschen mit Namen als in Hamburg.“ All das lag mir auf der Zunge. Und dort blieb es auch.
Maren war weg. Und ich wieder allein unter New Yorkern. Ich vermisste sie. Aber die kulturelle Sommersaison hatte begonnen und lenkte mich von meiner leeren Wohnung ab, in der abends keine Maren mehr auf mich wartete.
Im Bryant Park wurden jeden Montag alte Klassiker der Filmgeschichte gezeigt. Im Central Park fand dank der Metropolitan Opera große Oper unter freiem Himmel statt. Im Open-Air-Theater Delacorte wurde Shakespeare aufgeführt. Auf der „Summer Stage“ traten M.I. A. und Patti Smith auf. Das Angebot war so üppig, dass ich den Überblick verlor. Und das Beste: Alles war umsonst. Ganz New York strömte in die Parks.
Für die Konzerte musste man manchmal Stunden Schlange stehen. Die New Yorker nahmen das gelassen in Kauf und zelebrierten ihren Sommer. Wem die Massen zu anstrengend waren, der konnte auch Eintritt bezahlen. Die Liste der Open-Air-Veranstaltungen war endlos. In Williamsburg hatte die Musikszene ein altes leerstehendes Freibad erobert, in dessen Pool nun regelmäßig gerockt wurde. Und im MoMA-Museumsableger PS 1 legten jeden Samstag DJs auf und verwandelten den Innenhof in eine vibrierende Tanzfläche.
An einem Montagabend saßen Noelle und ich im Bryant Park an der 42. Straße. Wir hatten uns um sechs getroffenund gerade noch so ein freies Stück Wiese ergattert. Der komplette Park war mit Picknickdecken übersät. Nicht ein Grashalm war zu sehen. Bunte Gasluftballons schwebten wie bei einer großen Geburtstagsparty über der Wiese. „Damit die Leute sich hier finden“, erklärte Noelle, als sie meinen fragenden Blick sah. Ganz vorne ragte eine große Leinwand in den Himmel. Im Hintergrund die Bürotürme Midtowns. Der Film startete erst bei Anbruch der Dunkelheit, aber der Spaß begann schon Stunden vorher. Jeder hatte sein Abendessen mitgebracht,
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