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Ein Jahr in San Francisco

Ein Jahr in San Francisco

Titel: Ein Jahr in San Francisco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Bayers
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zurück. Keine vierzig Minuten später war ich ein bisschen albern, dann verschmust und dann einfach nur noch so müde, dass ich in einen tiefen Schlaf fiel. Am nächsten Morgen war er weg, doch er hatte zumindest seine Nummer und eine kurze Nachricht hinterlassen:
    „Hanni, see you next year when I will be surfing at Rip Curl Pro Surfing Contest at Ocean Beach.
    Cheers, Scott.“
    Soviel dazu!
    Am nächsten Morgen bringe ich Sophia früh zum Flughafen. Als ich mittags zurückkomme, ist Charles gerade damit beschäftigt, den Weihnachtsbaum im Wohnzimmer zu schmücken. „Ist das nicht ein bisschen früh?“ Er wehrt ab, während der mit Lichterketten behängte Baum mit der Sonne um die Wette funkelt. „Zu früh? Es ist bereits erster Advent. Viele Leute stellen ihre Tanne sofort nach Thanksgiving auf. Wir sind also spät dran.“ Wenn das so ist! Ich gebe mich geschlagen und halte mich mit meinen deutschen Ansichten lieber etwas zurück. Am nächsten Tag steht Charles dann jedoch mit grünen, roten und blauen Lichterketten in der Tür und beginnt, unsere Wohnung, den Balkon und das Treppenhaus in ein Lichtermeer zu verwandeln. Twinkle, twinkle, little star – es funkelt so sehr, dass ich schon unseren alten Nachbarn, der solch eine Festtagsbeleuchtung sicherlich nicht gewohnt ist, erblinden sehe, wenn er das nächste Mal aus seinem Apartment in den blinkenden Hausflur tritt. Zuerst sage ich nichts, doch als Charles anfängt, einen großen Nikolaus sowie ein breit grinsendes Plastik-Rentier aufzublasen und in unserem Esszimmerzu positionieren, frage ich ihn, ob er möglicherweise ein Weihnachts-Event in unserer Wohnung plane. „Sag mal, willst du denn gar nicht in Weihnachtsstimmung kommen?“ Charles wirkt fassungslos, während sich das Rentiergeweih in seinen Händen langsam mit Luft füllt und an seine Nase stupst. Ich weiß nicht so genau, was ich sagen soll. Schließlich habe selbst ich mittlerweile verstanden, dass die deutsche Ehrlichkeit manchmal mehr Schaden verursacht als Gutes tut. Nichtsdestotrotz finde ich den Baum um drei Wochen verfrüht, die Lichterketten kitschig und das grinsende Rentier mit dem Nikolaus kompletten Quatsch. „Ich habe dir übrigens für dein Zimmer noch einen aufblasbaren Surfer-Nussknacker mitgebracht“, sagt er und reicht mir eine bunt glitzernde Packung. „Oh, besten Dank, Charles!“ Ich kann es kaum erwarten das Ding unter dem Bett zu verstauen.
    Die nächsten Wochen ziehen mit SantaCon , einer Massenansammlung von Nikoläusen auf dem Washington Square, White-Elephant- Partys (der amerikanischen Variante des Schrottwichtelns) und viel Arbeit im Büro an mir vorbei. Doch all die Zerstreuung hilft Vijay und mir nicht, uns vom Warten abzulenken: Jeden Tag könnte sich Amber mit der Zu- oder Absage für das Gründerprogramm melden.
    Als ich am Morgen des dritten Advents die Augen öffne, liegt vor mir eine dichte, weiße Flockenschicht auf der Landschaft. Sie bedeckt die Straßen mit einer Puderdecke, die Autos gleiten schwerelos darüber und die Geräusche der Stadt verstummen. In der Ferne schreien ein paar Kinder, bewerfen sich mit Schneebällen und rollen eine dicke Kugel für einen Schneemann aus dem frostigen Nass. Unter meinen Winterstiefeln knirscht der Schnee, während ich langsam zum Haus zurückgehe. Als ich die Haustür öffne, frierend von der Winterkälte und mit einer roten Nase wieRudi, das Rentier, strahlt mir das warme, knisternde Feuer aus dem Kamin entgegen. Auf dem Herd ein dampfender Topf mit Glühwein. Mir steigt der Duft von Tannenzweigen und selbst gebackenen Keksen in die Nase.
    Doch dann werde ich plötzlich vom Klingeln meines Handys geweckt und öffne die Augen: Es ist ein milder Tag, und der leuchtende Feuerball am Himmel strahlt über die Dächer der Stadt, ein Papageien-Schwarm vom Telegraph Hill zwitschert an meinem Fenster vorbei und schickt einen krächzenden Weihnachtsgruß. Das ist mein dritter Advent in San Francisco – leider habe ich nur geträumt. Kein Schneespaziergang und heißer Glühwein, keine wohlige Kaminwärme wie zu Hause in Düsseldorf. Daran muss ich mich zunächst gewöhnen. Aus dem Bett schaue ich auf den Nussknacker mit Surfbrett, den ich nur aus Höflichkeit aufgeblasen habe. Ich muss mich zwingen aufzustehen – kein Adventskalender und kein gefüllter Adventsstiefel lockt. Aber ich habe heute ganz andere Sorgen – Weihnachtsgeschenke für die Familie in Deutschland kaufen. Nur noch wenige Tage bis Weihnachten, und

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