Ein Jahr in Stockholm
bewerben. Die Assoziationen passen; ein neuerliches Hitzehoch hat Südschweden im Griff. Alternative Reiseziele sind „Göteborg-sur-Mer“, der „Lago di Östersund“ oder „Luleå al mare“. Doch ich bleibe bei Schonen und freue mich auf Caro und das Meer.
Zwischen uns und dem Sand zwischen den Zehen liegt nur noch ein Minimum an Arbeitsethos. Caros Bewerbungsgespräch in einem Tourismusbüro verläuft vielversprechend, und ich beweise für das Hundemagazin schnell, dass Schweden tierlieber als Dänen sind. Zu mir sind alle gleich nett im bunten Neuen Hafen in Kopenhagen und im Möllan, einem Multikulti-Stadtteil von Malmö. Die Wahrzeichen hüben und drüben könnten unterschiedlicher nicht sein. In Dänemark sitzt eine Meerjungfrau nackt, voller Fernweh und etwas beschämt vor unzähligen Japanern am Wasser. Der Turning Torso auf schwedischer Seite hingegen strotzt vor Modernität und Selbstbewusstsein – genauso das angrenzende Bo 01 , ein Viertel höchster Architektenkunst. Charakteristische Selbstbilder zweier Nationen, die an dieser Stelle des Öresunds gerade einmal eine halbe Stunde Zugfahrt trennt.
Genau dort, wo sich die bekannte Schrägseilbrücke vom schwedischen Terrain über das Grenzwasser zum europäischen Festland stülpt, treffe ich Caro wieder. Sie hat ein Picknick und Josefine dabei, eine Schwedin aus Malmö, die sie natürlich in der Schweiz kennengelernt hat. Wir essen dänisches smørrebrød , versuchen die Nistkästen für Wanderfalkenauszumachen, die die Schweden an den Brückenpfeilern installiert haben, und blicken auf die Segelboote vor dem Panorama Kopenhagens, unter denen wir statt Tretbooten „Trampelboote“ zu erkennen glauben. Mit Schwedisch im Hinterkopf ist Deutsch für uns alle eine Herausforderung.
Tags darauf sitzen Caro und ich an der endgültigen Südspitze des Landes im Strandsand, frühstücken Käse aus der Tube und die Scheiben sirupsüßen Brotes, die der Wind nicht in die Dünen weht. Das Meer ist noch eisig, aber wir können es nicht lassen und tunken unsere Zehen hinein, bevor wir die Kleinstadt erkunden, die den meisten Deutschen nur zu gut bekannt ist. Die gebogenen Gässchen mit den niedrigen Häusern, an denen Malven- und Rosensträucher blühen, schaffen den perfekten Kontrast zu den Morden, die Henning Mankells Figur des Kommissars Kurt Wallander in Ystad aufzuklären hat.
Auch wir entlarven Ungereimtheiten, unter anderem die, dass der Eingang zu Wallanders Wohnung an der Mariagatan in Wahrheit ins Nachbarhaus führt, wo wir spontan zur Familien- fika eingeladen werden und erfahren, dass in der cinetek am Ortsrand Führungen durch die Filmstudios abgehalten werden. Dafür sind wir spät dran. Doch ein junger Mann bringt uns direkt in die Kulissen, wo wir auf die übrigen Teilnehmer der Tour warten dürfen – wobei warten vielleicht nicht der richtige Ausdruck ist für das, was Caro und ich veranstalten: Wir lesen den Beginn eines neuen Manuskripts, veranschaulichen die Strategie des Mörders auf dem Flipchart und legen am Ende Polizeiuniformen und die Waffen aus den Vitrinen an.
Wohl zur Strafe müssen wir am Abend die vom Tourleiter empfohlene Rundfahrt auf einem Feuerwehrauto über uns ergehen lassen, die er als romantischen Stadtspaziergang angekündigt hatte. In dieser Touristenfalle mit deutschen Megafon-Ansprachen tuckern wir an belustigten Schwedenvorbei zu Schauplätzen, wobei sich die Führerin nie sicher ist, in welchem Haus sich in welchem Buch was ereignet haben soll. Ich will mich vom Wagen stürzen, aber Caro hält mich davon ab.
„Wir haben noch eine gemeinsame Mission“, beschwört sie mich.
In Stockholm machen wir uns an die Planungen unserer beiden Geburtstage. Für das originale Schwedengefühl marschiere ich an Caros Jubelfest frühmorgens mit einem Tablett zu ihr ins Zimmer, auf dem eine Kerze brennt und die heiße Schokolade auf ein Nutellabrot schwappt. Dazu singe ich Ja, må hon leva . Hundert Jahre soll und wird Caro demnach alt werden. Bei den Geburtstagspraktiken mitten in ihrer Tiefschlafphase bin ich mir dessen nicht so sicher. Spätestens zu meinem vierfachen hurra! ist sie hellwach und den restlichen Tag wie gerädert. Ein paar Tage später wiederholt sie das Trara in meinem Zimmer.
Am Samstag darauf können wir tatsächlich mit allen Freunden feiern. Sie haben pünktlich in die Stadt zurückgefunden. Vor lauter Freude haben wir uns zu einem Fest in der WG überreden lassen, ganz dezent, ganz ta det lugnt! Wir
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