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Ein Jahr in Stockholm

Titel: Ein Jahr in Stockholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Beer
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in der wieder alles beim Alten ist.

oktober
    Wie dilettantische Detektive liegen Caro und ich an einem Montagmorgen kurz vor halb sieben im Gebüsch eines Stockholmer Hinterhofes. Im Visier haben wir die Hundetagesstätte – sofern wir nicht damit beschäftigt sind, uns aus Pappbechern Kaffee einzuflößen oder über die durchdringende Nässe des angefrorenen Bodens zu fluchen.
    „Von oben hat uns garantiert schon jemand entdeckt“, flüstert Caro und deutet auf die Häuserblocks, die die Grünfläche flankieren. „Gleich schicken die uns die Polizei auf den Hals.“ – „Ach, woher denn“, versuche ich sie zu beruhigen und schütte etwas von meinem Kaffee in ihren leeren Becher: „Es ist doch zappenduster. Und falls uns wer sieht, denkt er bestimmt, da liegen wieder zwei Betrunkene in den Beeten.“
    Meine Angst ist anders orientiert. Ich fürchte, dass uns Rottweilerdame Gela hier im Gebüsch ausmachen und herbeieilen könnte, um sich eine Nackenmassage bei mir abzuholen. Wir sind schnell Freunde geworden; mir imponieren ihre beängstigende Erscheinung und ihr sanftes Wesen. Sie ist auch der Grund, weshalb wir uns mitten in der Nacht eine Blasenentzündung holen. Genauer gesagt: Gelas Herrchen.
    Ein Bericht in der Wochenendbeilage des Aftonbladet hatte sich mit den Hobbys der Königskinder beschäftigt. Da war also Victoria mit Daniel Westling beim Segeln vor der Insel Gotland und in ihrer kleinen Imkerei zu sehen. Andere Schnappschüsse präsentierten Prinzessin Madeleine beim Feiern in der SpyBar auf Östermalm und mit ihrem Liebsten Jonas hoch zu Ross. Und Bruder Carl Philip, derOrlando Bloom der Königsdynastien, den sie hier in der Hundedagis und überall in der Stadt nur kumpelhaft CP („Seh Peh“) rufen, ja, er war beim Motorsport und mit Kameraausrüstung nebst Dauerfreundin Emma abgebildet – und mit einem Hund, der mir ziemlich bekannt vorkam.
    Und als funktioniere Gedankenübertragung, springt in diesem Augenblick im Hof der Bewegungsmelder an. Im Lichtkegel erkenne ich die Gesichtszüge des Prinzen unter einer Strickmütze. Die hüfthohe Gela trabt neben der telefonierenden Emma her. Während CP in seinen abgewetzten Jeans den Rottweiler in die dagis bringt, plaudert Emma vor der Tür weiter. Die Melodie ihrer hohen Stimme klingt deutlich zu Caro und mir herüber, ihr Blick gleitet über die Grünfläche; was sie sagt, hören wir nicht. Doch wegen des Lichtstrahls, der nun auf unseren Körpern liegt, habe auch ich mit einem Mal Panik davor, erwischt zu werden. Mein Herz hämmert gegen den Brustkorb. Caro zerdrückt vor Aufregung mit der linken Hand ihren Kaffeebecher. Was passiert wohl mit Leuten, die Mitgliedern des Hauses Bernadotte auflauern?
    In meine Überlegungen platzt Carl Philip, der aus der dagis kommt, Emmas Hand ergreift und den Innenhof über die Treppe verlässt, zwei Stufen auf einmal nehmend. Das war’s. Caro lacht und hält sich vor Ungläubigkeit die Hände vor den Mund. Ich springe hoch, klopfe ihr wie wild auf die Schultern und brauche ein paar Stunden später einen langen Auslauf mit den Hunden, um die aufgestaute Energie still und heimlich auf einen normalen Pegel herunterzufahren.

    Überwachung an sich ist in Stockholm nichts Besonderes. Vielmehr bin selbst ich es gewohnt, rund um die Uhr beobachtet zu werden. Bloß ist mir das noch nie so aufgefallen wie an diesem meinem ersten Tag als Spionin. Auf dem Weg zu einem Treffen mit Lars auf Södermalm passiere ich einlückenloses System für Fahrgastsicherheit. Auf den beiden Rolltreppen hinunter zur t-bana filmen drei schwarze Kugeln in Halterungen an der Decke, wie ich an den anderen vorbeieile und unten doch die Bahn verpasse. Auf dem Bahnsteig schwenkt, neigt und zoomt ein anderes Exemplar über meinem Kopf, um aus dem besten Blickwinkel aufzuzeichnen, wie ich Lars am Handy mein Zuspätkommen erkläre. Während der Fahrt behält mich sicherheitshalber eine Minikamera für die Videozentrale der Stockholmer Transportgesellschaft live auf Sendung.
    Trygghet ist das Schlagwort in Schweden. Es bedeutet so viel wie Sicherheit, Geborgenheit, und beschreibt die Fürsorge, die das Volk vom Staat einfordert. Dafür ist es gerne bereit, sich vor den Behörden nackig zu machen – schließlich meint es ja jeder gut mit dem Einzelnen in einer Gesellschaft, die den Gemeinsinn dem Individualismus überordnet. Ein weiteres Beispiel für ein Vertrauen ineinander, das offensichtlich nie wirklich erschüttert worden ist.
    So kommt es

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