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Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Titel: Ein Jahr ohne Juli (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Kessler
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zusammen sein will – und damit dich keiner abweisen kann, vergraulst du jeden schon vorher.« Ich beiße mir auf die Lippe, während ich auf ihre Antwort warte. Ich habe den Finger in die Wunde gelegt! Vielleicht kann ich es wiedergutmachen, unsere Freundschaft retten, den Riss heilen –
    »Vielen Dank für deinen analytischen Spürsinn, Sigmund Freud«, fährt mich Juli an. »Aber wenn ich auf selbstgebastelte Diagnosen scharf wäre, würde ich mich an deine Mutter wenden.« Sie wendet mir wieder den Rücken zu. »Wenn du nichts dagegen hast, möchte ich jetzt in Ruhe gelassen werden.«
    »Juli!« Ich folge ihr an ihre Frisierkommode und lege ihr die Hand auf den Arm. Sie zieht ihn ruckartig weg. »Ich verstehe nicht, warum du so zu mir bist. Als ob du mich hasst.«
    »Soll ich es dir wirklich erklären?«
    »Ja«, sage ich mit bebender Stimme.
    Endlich dreht sie sich wieder zu mir um und sieht mich direkt an. »Weil du mich im Stich gelassen hast, Jenny. Weil du nicht rechtzeitig gekommen bist. Weil ich dich nirgends finden konnte und Mum überredet habe, mich ohne dich hinzubringen. Weil wir zwei Pferde gebucht hatten, deshalb ist Mikey mitgekommen. Weil deine Mutter nicht aufgetaucht ist und dann der Notarztwagen auch nicht – und wegen der Verzögerung ist es dann zu spät gewesen, um noch was zu tun. Weil …« Sie bricht unvermittelt ab.
    »Weil was?« Meine Stimme ist ein heiseres Flüstern.
    Julis Augen glitzern, als sie mich fest ansieht. »Weil es meinem Bruder passiert ist«, sagt sie schließlich, »nicht deinem.«
    Ich öffne den Mund, um zu antworten. Nichts kommt heraus.
    »Du wolltest es ja wissen«, sagt sie knapp. »Da hast du die Antwort. Ist es das, was du hören wolltest?«
    Ich muss heftig schlucken. Ich weiß ja selbst immer noch nicht, warum ich nicht aufgetaucht bin. Vielleicht, weil ich mich auf Zeitreise befand und die alte Jenny somit verschwunden war. Vielleicht war es auch etwas ganz anderes. Es spielt keine Rolle. Tatsache ist, ich war nicht da, und sie sind ohne mich gegangen. War die ganze Geschichte also meine Schuld?
    »Nein, es war wohl nicht das, was du hören wolltest«, sagt sie. »Aber verstehst du jetzt, worum es geht?«
    Ich finde meine Stimme wieder. »Ich glaube schon. Du gibst mir die Schuld an dem Unglück, und du wünschst, dass es meinen Bruder getroffen hätte statt deinen. Ich halte das für normal, eine übliche Art der …«
    »Ach zum Teufel, Jenny, kannst du nicht endlich aufhören, so verdammt vernünftig zu sein?«, bricht es aus ihr hervor. »Ich bin es, okay! Du hast recht gehabt. Ich hab dich zurückgestoßen, ich wollte dich nicht sehen. Ich bin es, die keinem verzeihen kann, was passiert ist – dir nicht, Mum nicht, Dad nicht –, und richtig, mir selbst auch nicht! Okay? Ich kann es mir nicht verzeihen.« Ein Aufschluchzen lässt sie verstummen.
    »Dir selbst nicht?« Ich lege ihr wieder die Hand auf den Arm. »Es gibt nichts, was du dir verzeihen müsstest.«
    »Du verstehst das nicht«, krächzt sie.
    »Was?«, frage ich leise. »Was verstehe ich nicht?«
    »Ich habe ihn angestachelt, zu galoppieren. Er hat wirklich Angst gehabt, aber ich habe gesagt, dass er das schaffen würde. Ich habe ihn aufgezogen und ein Baby genannt. Da hat er es gemacht – er ist galoppiert – und ist abgeworfen worden. Und dann war ich sicher, dass ihm nichts passiert wäre. Ich habe nicht gedrängt, ihn auf der Stelle ins Krankenhaus zu bringen. Ich habe ihm geglaubt, als er gesagt hat, es gehe ihm gut. Es war meine Schuld. Alle anderen werden inzwischen damit fertig. Du. Mum und Dad auch. Alle haben ihr Leben wieder aufgenommen – und ich stecke in diesem Albtraum fest und kann nicht aufhören, alles immer wieder zu durchleben. Kapierst du das nicht?«
    »Ob ich was nicht kapiere?«
    »Ich hasse alle wegen dem, was passiert ist!«, schreit sie. »Ich hasse alle, weil sie weitermachen können. Und ich weiß, wie unfair das ist. Aber diese Wut – ich kann sie nicht loswerden; ich kriege sie nicht aus mir heraus. Ich bin so voll davon, und ich kann nichts Vernünftiges daraus machen. Es bleibt also nur eine Person, der mein Hass gilt. Nur eine Person, deren Leben ich ruinieren kann, ohne mir noch mehr Schuldgefühle aufzuhalsen.« Sie wendet mir ihr tränenüberströmtes Gesicht zu.
    »Du selbst«, sage ich tonlos.
    »Richtig. Ins Schwarze getroffen.« Sie reibt sich ungestüm die Augen. »Willst du einen Preis für die richtige Antwort?«
    Ich ziehe die

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