Ein Jahr ohne Juli (German Edition)
den zweiten Stock gefahren und bin zwei Jahre weiter gelandet!«
Juli starrt mich an, als sei ich ein Müllhaufen, der sie stört. »Bist du fertig?«
Bitte, Juli. Ich bin es doch, Jenny – deine beste Freundin! Über so etwas würde ich doch keine Witze machen. »Du musst mir glauben!«
»Muss ich das? Wer sagt, dass ich das muss, würdest du mir das vielleicht erklären? Ich kann mich nicht erinnern, dass ich zu irgendetwas, das ich machen will, deine Erlaubnis einholen muss.«
»Juli, ich …« Meine Worte ersterben und lösen sich auf. Es hat keinen Sinn. Ein Blick in ihr Gesicht genügt, um zu wissen, dass es sie nicht interessiert, was ich sagen will, obwohl es doch die Wahrheit ist. Ich schüttle den Kopf. »Vergiss es.«
Ich will gehen, bleibe jedoch an der Tür stehen. Was hat Mrs Smith erzählt, wie sie herausgefunden hat, was in dem Jahr gelaufen ist und was sie versäumt hat? Stelle die richtigen Fragen mit den richtigen Worten, dann sagen dir die Leute alles, was du wissen musst. Sie hat recht. Ich muss mich mehr bemühen. Ich kann mich nicht einfach zurücklehnen und das alles geschehen lassen. Die alte Jenny hat vielleicht so gehandelt, aber es hat sich zu viel verändert, mich eingeschlossen. Ich muss es weiter versuchen.
»Ich möchte mich nicht mit dir verkrachen«, sage ich. Juli sieht mich immer noch abweisend an und hat die Arme fest über der Brust verschränkt. »Was ist mit dir geschehen?«, fahre ich fort. »Was ist mit uns geschehen? Das sind doch nicht wir.«
Sie wendet den Blick ab.
»Du willst mir nicht mal antworten?«
»Ich möchte mich auch nicht mit dir verkrachen«, sagt sie schließlich etwas nachgiebiger.
»Dann lass es uns auch nicht tun.« Ich setze mich wieder neben sie und lege die Hand auf ihren Arm. »Wir stecken doch beide in der gleichen Situation. Du bist meine beste Freundin.«
Juli lehnt den Kopf an meine Schulter, und wir sitzen eine Weile schweigend da. Erst als ich spüre, wie meine Schulter feucht wird, merke ich, dass sie weint.
»Juli, was ist denn los?«
»Ich … ich … ich weiß einfach nicht, wie ich mit allem fertig werden soll«, sagt sie unter heftigen Schluchzern. »Alle anderen kehren zu ihrem normalen Leben zurück, und jetzt auf einmal bricht für mich alles auseinander.«
»Was meinst du? Warum bricht dein Leben auseinander?«
Juli schüttelt den Kopf und wischt sich mit den Händen über die Augen. »Ich kann nicht aufhören – es vor mir zu sehen«, sagt sie schließlich.
»Was?«
»Mikey«, sagt sie flüsternd. »Ich träume jede Nacht von dem Unfall, den ganzen Tag lang sehe ich ihn vor mir in seinem Bett. Bewegungslos. Er wird sich nie mehr bewegen, wird mich nie mehr sehen oder mit mir reden. Ich ertrage das nicht, Jen.«
Ich schlinge die Arme um sie. »Sag das doch nicht, Juli.«
Sie stößt mich fort. »Was soll ich nicht sagen – die Wahrheit?« Ihre Stimme ist auf einmal wieder abweisend. »Mann, du bist genauso schlimm wie die anderen. Warum redest du nicht lieber mit meiner Mutter statt mit mir? Ihr könnt euch alle beide was vormachen. Sie kann dir von der wundersamen Heilung von Mikey erzählen und du ihr von deiner Zeitmaschine.«
Sie steht auf, dreht mir den Rücken zu und tritt mit verschränkten Armen ans Fenster. »Was glaubst du denn, wie es ist, zu wissen, dass man das Leben seiner ganzen Familie ruiniert hat?«, sagt sie schließlich.
»Was? Aber du bist doch nicht schuld daran!«
»Ach nein?« Juli nimmt eine Bürste und fängt an, ihr Haar damit zu bearbeiten. »Wie gesagt, warum gehst du nicht und tauschst mit meiner Mutter Phantasiegeschichten aus? Ich würde dir keinen Vorwurf machen, wenn du lieber mit jemand anderem zusammen wärst – wer möchte schon mit mir zusammen sein?«
Ich stehe auf, trete zu ihr ans Fenster und stelle mich vor sie, damit sie mich ansehen muss. »Juli«, sage ich sanft.
»Was?«
»Ich glaube nicht, dass ich jemals so gerne mit jemandem zusammen sein möchte wie mit dir.«
Wieder ein Bürstenstrich durch ihr strähniges Haar. »Und wenn schon.«
»Vielleicht möchtest du ja nicht mit mir zusammen sein. Vielleicht schiebst du mich weg.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Weiß nicht. Vielleicht möchtest du dir beweisen, dass niemand mit dir zusammen sein will.«
»Und warum sollte ich das wollen?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht, weil du dir für das die Schuld gibst, was mit Mikey passiert ist. Deshalb denkst du, dass du so schlimm bist, dass keiner mit dir
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