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Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Titel: Ein Jahr ohne Juli (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Kessler
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wieder eher wie das der alten Juli aus, ein bisschen heller, aber ihr Gesicht ist härter, erwachsener.
    Eine Sekunde lang starren wir uns stumm an. Sie sagt als Erste etwas. »Was machst du denn hier?« Sie sieht mich an, als sei ich gerade vom Mars gekommen.
    Ich suche nach einer Antwort.
    »Mit wem redest du da, Juli?«, kommt eine andere Stimme aus der Diele, ehe ich antworten kann. Ein lächelndes Gesicht folgt der Stimme und schaut zur Tür heraus. »Ach, du!«, sagt die Stimme. Es ist Christine. Eine fünfzehn Jahre alte Ausgabe von dem Mädchen, das Juli immer Barbie Eins genannt hat. Was macht Juli denn mit der ?
    »Was machst du denn hier?«, fragt Christine wie ein Echo von Julis noch unbeantworteter Frage. Warum sind sie beide so schockiert, mich hier vor der Wohnung meiner besten Freundin zu sehen? Mit Sicherheit haben wir uns nach dem schrecklichen Streit doch längst wieder ausgesöhnt. Oder konnte die Auseinandersetzung tatsächlich so schlimm gewesen sein, dass ich gegangen und bis heute nicht wiedergekommen bin? Ein Jahr ohne Juli? Undenkbar.
    »Was ist denn los?« Noch jemand kommt in die Diele und späht Juli über die Schulter, ehe ich zu meiner Antwort komme. Es ist Sally. Barbie Zwei. Beide mit knalligem Lidschatten, beide haben das Haar zu lächerlichen Frisuren auf dem Kopf aufgetürmt und tragen ihre Designer-Klamotten. Was macht Juli nur mit denen ? Die eine Hälfte von mir will loslachen, die andere starrt die drei kalten Gesichter an, die darauf warten, dass ich erkläre, warum ich hier bin.
    »Ich bin hier, um Juli zu besuchen«, sage ich bestimmt. Sie sollen nicht merken, wie nervös ich bin. Ich habe sowieso nichts mehr zu verlieren. Ich habe bereits drei Jahre meines Lebens verloren. Nichts, was sie tun, kann mir etwas anhaben – aber Juli will ich nicht auch noch verlieren. Das lasse ich nicht zu. Wenn ich schon für den Rest meines Lebens in dieser schrecklichen Wirklichkeit bleiben muss, kann ich mir zumindest meine beste Freundin zurückerobern und mit ihr zusammen darin leben; es ist mir egal, wie schwierig das ist.
    Juli reißt die Augen auf. »Warum?«, fragt sie und starrt mich verwirrt an.
    »Warum?«, wiederhole ich. »Ich wusste nicht, dass ich einen Grund dazu brauche.«
    Juli setzt an, um etwas zu sagen, doch ehe sie antwortet, wirft sie Sally einen Blick zu. Ich bin sicher, dass ich gesehen habe, wie ihr Sally kurz zugenickt hat. Seit wann braucht Juli Sallys Genehmigung, um etwas zu sagen?
    Doch dann beschließt Sally schnell, für sie zu antworten. »Doch, ich glaube, das weißt du genau«, sagt sie, »nach allem, was du getan hast.«
    »Alles, was ich … Juli, kann ich vielleicht allein mit dir reden?«
    Wieder wirft Juli Sally einen Blick zu. »Du kannst das, was du sagen willst, ruhig vor meinen Freundinnen sagen«, antwortet sie, als ob sie nicht in der Lage ist, ohne die Zustimmung der beiden mit mir zu sprechen. »Und beeil dich«, setzt sie hinzu. »Wir wollen gerade losziehen.«
    Christine verschränkt die Arme und stellt sich besitzergreifend hinter Juli. »Das kann ja interessant werden«, sagt sie.
    Eine Sekunde lang flattert mein Magen nervös, aber ich reiße mich zusammen. Ich lasse mir meine Freundschaft mit Juli von niemandem vermasseln – schon gar nicht von den Barbies!
    Ich räuspere mich. »Hör mal, ich weiß gar nicht, warum du so böse auf mich bist«, fange ich an.
    Sally lacht laut los. »Sie weiß nicht, warum wir böse auf sie sind. Sie ist ja noch dämlicher, als sie aussieht.«
    Juli schweigt. Sie sieht mich an und wartet, dass ich weiterrede. Ihr Blick ist umflort und traurig. Sie sieht überhaupt nicht aus, als ob sie mir böse ist. Genaugenommen sieht sie wie jemand aus, den ich überhaupt nicht kenne – jemand, der aufgegeben hat, jemand, der andere für sich reden lässt und nicht die Kraft hat, sich selbst durchzusetzen, jemand, der überhaupt keine Energie mehr hat. Das ist nicht Juli. Zumindest nicht die Juli, die ich kenne.
    »Ich weiß nicht, was ich gemacht haben soll«, sage ich. Ich muss daran denken, was erst vor wenigen Minuten passiert ist. Es war der schlimmste Streit, den wir je gehabt haben. Aber das war in Julis Leben vor einem Jahr! Deswegen kann sie doch nicht mehr böse sein, oder?
    Diesmal spricht Christine. »Ach nee, sie meint, wenn man ein Jahr lang nicht für seine Freundin da ist und nun auf einmal vor ihrer Tür auftaucht, dann ist das ganz normal, was?«
    Es stimmt also? Wir haben ein Jahr lang nicht

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