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Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Titel: Ein Jahr ohne Juli (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Kessler
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Hand von ihrem Arm zurück. »Warum bist du so gemein?«
    »Das habe ich dir doch gerade gesagt. Ich dachte, du bist so eine verständnisvolle Person, eine gute Zuhörerin wie deine Mutter. Komisch, wie man sich in den Leuten täuschen kann, nicht? Sie ist ja anscheinend auch nicht so toll.«
    »Was meinst du damit?«, fahre ich sie an. Ich kann nicht anders. Wenn sie mich verletzen will, okay. Soll sie. Aber ich lasse nicht zu, dass sie so auf mir herumtrampelt – und auf meiner Mutter auch nicht.
    »Deinen Vater so zu verjagen.«
    Ich halte die Luft an. Einen Moment habe ich wirklich das Gefühl, sie hätte mir einen Stoß in die Magengrube versetzt – aber sie steht gar nicht nahe genug, deshalb weiß ich, dass es nur ihre Worte waren. »Wie kannst du es wagen?«, flüstere ich schließlich.
    Mehr bekomme ich nicht heraus. Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Juli zerrt an ihren Haaren. Einen Augenblick sieht sie schuldbewusst aus, vielleicht sogar beschämt. Vielleicht weiß sie, dass sie zu weit gegangen ist.
    »Meine Mutter hat niemanden verjagt. Sie nehmen nur eine Auszeit. Versuchsweise. Sie kommen wieder zusammen«, sage ich steif.
    »Aber sicher.« Juli schüttelt den Kopf. »Wann hörst du nur auf, im Wolkenkuckucksheim zu leben, Jen? Hey, da hast du vielleicht die letzten zwei Jahre gesteckt – und so getan, als ob du nicht auf unserem Planeten warst?«
    »Ich kann einfach nicht glauben, wie gemein du bist«, sage ich. »Ich möchte dir helfen. Ich versuche, nett zu sein, aber du kannst nur –«
    »Was für ein Glück für mich. Du bist also hergekommen, um nett zu sein. Dann stell dir mal vor: Ich brauche deine Hilfe nicht! Um genau zu sein, du kannst mir gestohlen bleiben!«
    »Ich …« Ich bewege mich rückwärts auf die Tür zu, dann bleibe ich stehen. Was geht hier eigentlich ab? So waren Juli und ich noch nie zueinander. Also, sie kann bisweilen schon ein bisschen hitzköpfig sein, und wir haben uns auch schon über alberne Kleinigkeiten gestritten, aber nach zwei Minuten versöhnen wir uns immer wieder. Diesmal allerdings nicht. Diesmal fühlt es sich anders an. »Ich pack das nicht, Juli«, sage ich und mache die Tür auf. »Nicht zu allen anderen Problemen. Tut mir leid.«
    »So ist es recht!«, ruft sie mir nach. »Hau doch ab und lass mich im Stich. Packst es nicht, was? Wirst nicht mit den Tatsachen fertig, und mit mir auch nicht. Da tust du mir aber einen Gefallen! Ich will nicht, dass du weiter herkommst. Es ist aus, Jenny. Unsere Freundschaft. Vorbei, verstanden? Kriegst du das in deinen dicken Schädel? Ich will dich hier nicht mehr sehen. Nie mehr!«
    »Bestens!«, schreie ich zurück, denn meine Geduld ist jetzt auch am Ende. »Du willst mich aus deinem Leben löschen? Nur zu. Du meinst, das macht mir was aus? Fehlanzeige!« Ich weiß, dass ich das nicht ernst meine, und ich würde die Worte am liebsten wieder zurückholen – aber meine Stimme ist stecken geblieben, irgendwo tief in meiner Brust.
    Juli sieht mich an. Ihr Gesicht ist immer noch unbewegt und hart. »Na, dann ist ja alles erledigt«, sagt sie seelenruhig. »Viel Spaß mit deinem Leben.« Sie folgt mir zur Tür und schlägt sie hinter mir zu.
    Sobald ich aus der Wohnung bin, breche ich in Tränen aus. Ich kann nicht anders. Ich kann einfach nicht fassen, wie schrecklich sich alles entwickelt hat. Ich dachte, es war schon schlimm genug, als ich das erste Mal in die Zukunft gereist bin. Dabei wird es immer schlimmer.
    Ich gehe zu dem Fahrstuhl. Ich muss in die Gegenwart zurück. Ich muss raus aus diesem Albtraum. Ich weiß, dass das, was auf mich wartet, auch ein Albtraum ist, aber wenigstens gibt es da nicht auch noch eine jahrelange Geschichte, die ich nicht kenne.
    Ich gehe über die Treppe in den zweiten Stock, damit ich den Fahrstuhl nach unten nehmen kann. Aber oben an der Treppe bleibe ich stehen.
    Wenn ich zurückgehe, weiß ich nicht, wie alles ausgeht. Ich kann nur zusehen, wie sich die schrecklichen Ereignisse entwickeln, Tag für Tag. Ich kann mich nur fragen, wo das alles enden soll. Bin ich dabei, mein Leben zu ruinieren, wie Mrs Smith? Ich suche in meiner Tasche nach dem Brief: Er ist wie eine Ermahnung, wie schlimm mein Leben ausgehen kann, wenn ich nichts unternehme – und eine Erinnerung daran, dass ich mir selbst versprochen habe, einen Weg zu finden, um Mrs Smith zu helfen.
    Was soll nur aus allem werden? Aus uns allen? Gerade will ich den Brief aus der Tasche ziehen und lesen, da habe ich eine

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