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Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Titel: Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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achttausend Jahre. Ihre Eltern waren noch nicht zu Hause. Carol und Neal kuschelten sich auf dem Sofa aneinander. Ihre Küsse waren wunderschön, und Küsse waren auch genug, mehr als genug, für diese Nacht. Sie saßen sittsam nebeneinander, als Carols Eltern vor der Tür diskret mit den Schlüsseln klimperten.
     
     
11
     
    »Ich glaube wirklich nicht, daß das nötig ist«, sagte Neal zu Graham. Neal war siebzehn, und es gab eine Menge Sachen, die er nicht für unbedingt notwendig hielt. Sich in einer stinkenden alten Turnhalle in der Nähe des Times Square Boxhandschuhe zuknoten zu lassen, führte im Moment allerdings die Liste an.
    »Das kann ich gut verstehen«, sagte Graham. »Aber entweder das, oder dieser Kung-Fu-Quatsch von Levine.«
    Die Turnhalle lag im zweiten Stock eines verfallenen Gebäudes an der 44. Straße und roch wie das Innere einer Unterhose, die seit einem Monat im Wäschesack lag. Neal sah sich noch einmal um. Ein Dutzend Boxer schlug auf Speedbags, Heavybags und aufeinander ein. Ein einzelner Typ sprang Seil, was wesentlich angenehmer aussah.
    »Warum«, fragte Neal, »muß ich überhaupt Kämpfen lernen?«
    »Betriebsvorschrift.«
    »So ein Quatsch.«
    Der Typ, der vor Neals Stuhl kniete, und dem Jungen die Boxhandschuhe zuschnürte, schnitt eine Grimasse und blies ihm Zigarettenrauch ins Gesicht.
    »Das ist die Kunst, ein Mann zu sein«, krächzte Mick und zog die Boxhandschuhe ein bißchen fester zu.
    »Ich hab noch nie einen Kampf gesehen, in dem sie Zeit genug hatten, Handschuhe anzuziehen«, entgegnete Graham.
    »Das liegt an den Leuten, mit denen du so zu tun hast. Okay, Junge, steh auf.«
    Neal stand auf. Er schlug die Handschuhe gegeneinander, wie sie es im Fernsehen tun. Das Geräusch war ganz beruhigend.
    »Versuch’s mal«, sagte Mick.
    »Du hast keine Handschuhe an.«
    Mick grinste. »Du triffst mich sowieso nicht.«
    »Da hat er wahrscheinlich recht«, sagte Graham.
    Mit der tödlichen Gewalt eines Kätzchens, das nach einer Christbaumkugel angelte, schoß Neal eine rechte Grade los.
    Mick beugte sich zur Seite, wich dem Schlag aus und stoppte seinen rechten Konter ein paar Zentimeter vor Neals Nase. »Laß Deine Linke oben«, sagte er angeekelt. »Hast du noch nie gekämpft?«
    »Ich bin weggerannt.«
    »Yeah, solche Fighter kenne ich, aber die werden schnell müde.«
    »Deswegen fahr ich U-Bahn«, sagte Neal.
    »Ich sehe schon. Wir müssen bei Null anfangen.« Mick seufzte. 
     
    Also fingen sie bei Null an. Dreimal die Woche, nach der Schule, ließ sich Neal von Mick, dem Prügler, Boxen beibringen. Er lernte, seine Linke oben zu lassen, Haken mit rechten Graden zu kontern, das Maul zu halten und das Kinn runterzudrücken. Er machte Liegestützen, Situps, Kniebeugen. Er haßte es.
    Nach drei Monaten entschied Mick, daß es Zeit war, sich an einen richtigen Boxer zu wagen.
    Der Kampf wurde für einen Samstagmorgen angesetzt, Joe Graham und Ed Levine saßen im Zuschauerraum. Levine wollte wissen, wie Neal vorankam. Graham behauptete, daß er sich das Vergnügen, zu sehen, wie Neal ein paar aufs Maul bekäme, nicht entgehen lassen wollte.
    Der Sparringpartner war ein junger Mann namens Terry McCorkandale. Er war aus Oklahoma, hatte einen roten Stoppelhaarschnitt und war der Sparringpartner eines Profis, der seinerseits Sparringpartner eines Profis war.
    Das beruhigte Neal. Okay, dieser Typ war Profi, aber nur gerade eben. Außerdem hatte Neal hart trainiert. Er war kein Boxer, das wußte er, aber er konnte sich auf den Beinen halten. Er stieg in den Ring, gab McCorkandale die Hand, und grinste Levine und Graham zu. Dann nahm er Kampfhaltung ein und versuchte einen linken Haken.
    Als er wieder zu sich kam, jammerte McCorkandale: »Ich hab ihn kaum berührt, ehrlich.«
    »Welcher Tag ist heute?« fragte Mick.
    »Januar«, sagte Neal.
    »Nah dran«, sagte Levine. »Versuch’s nochmal.«
    Neal stand wieder auf den Füßen, war aber nicht sicher, wie er das geschafft hatte. Ihm tat alles weh. McCorkandale grinste ihn entschuldigend an.
    Mick flüsterte Neal ins Ohr: »Er hatte einfach Glück, Junge. Schnapp ihn dir.«
    Neal besaß eine Aufnahme der 1812-Ouvertüre, und in den nächsten drei Minuten kam er sich vor, als stünde er direkt zwischen den Trommlern. Der Typ bearbeitete ihn wie eine Snaredrum, knallte ein paar Soli rein und donnerte ein paarmal auf die Baßtrommel, bevor Neal sich auch nur rühren konnte. Wäre Neal mit Telefonkabel gefesselt gewesen, er hätte

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