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Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Titel: Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Morgen, an dem er gegangen war, um mit Graham Zug zu fahren, hatten sie einen kurzen, aber heftigen Streit gehabt. Sie konnte nicht verstehen, daß irgend etwas so dringend war, daß er eine Prüfung versäumen mußte und daß irgend etwas so vertraulich war, daß er ihr nicht sagen konnte, wohin er fuhr oder was er tat. Er wollte ihr erklären, daß er es selbst nicht verstand, aber daß er sich trotzdem gezwungen fühlte, den Mund zu halten.
    »Darf ich denn wenigstens wissen, wie lange du wegbleibst?« fragte sie.
    »Ich würde es dir sagen, wenn ich es wüßte.«
    »Na, toll.«
    »Konntest du noch gut lernen?«
    »Prima.«
    Das bezweifelte er keine Sekunde. Er wußte, daß Diane klüger war als er und auch härter arbeitete. Sie war die Beste in jedem Kurs und jedem Seminar, aber so unsicher, daß sie es als einzige nicht wußte.
    Sie hatten sich in Boskins Seminar »Vergleichende Literatur des 18. Jahrhunderts« kennengelernt, nur ein paar Wochen nach dem Halperin-Job. Er hatte gelesen und getrunken, allerdings mehr getrunken als gelesen, und sie waren auf dem Flur vor dem Seminarraum ins Gespräch gekommen. Er lud sie zum Kaffee ein, sie ihn ins Bett, und irgendwann erklärte sie, daß sie Zeit für eine Beziehung hätte, aber nicht für langes Balzen. Er endeckte, daß hinter ihrem dunkelbraunen Pagenschnitt und den Hüten und Westen und sackartigen Klamotten ein wunderbar femininer Körper steckte. Sie liebte, wie sie studierte, absolut konzentriert und unglaublich aufmerksam, und sie schlief, während er seine Alpträume hatte.
    Jetzt rief er sie auf ihrem Zimmer im Barnard an. Beim vierten Klingeln nahm sie ab.
    »Yeah?«
    »Hey.«
    »Du hast ein Höllenexamen verpaßt.«
    Er konnte es genausogut gleich hinter sich bringen.
    »Ich muß eine Weile weg.«
    Er konnte ihre Wut durchs Telefon spüren.
    »Noch mehr Geheimagentenkram?«
    »Ja.«
    »Ich schlafe mit dir, weißt du?«
    »Ich weiß.«
    »Und wann werde ich dich kennenlernen? Wann darf ich die andere Hälfte sehen? Was ist so schlimm? Was ist so besonders an deinen Geheimnissen?« fragte sie und dann kicherte sie: »Hey, Neal, zeig mir deins, dann zeig ich dir meins.«
    Seine Brust schnürte sich zusammen. »Wenn ich dir das zeige, wirst du mich verlassen.«
    »Wenn du es mir nicht zeigst, werde ich dich verlassen.«
    Das tat noch mehr weh. Er hatte nichts mehr zu sagen.
    »Außerdem«, sagte Diane, »verlasse nicht ich dich, sondern du mich.«
    »Kann ich rüberkommen?«
    »Du, oder nur ein Teil von dir?«
    Ein Teil von mir. Scheiß drauf.
    »Ich denke, wir sehen uns, wenn ich wieder da bin«, sagte er.
    »Vielleicht.«
    Sie legte auf.
    Na toll, Neal, dachte er. Aber vielleicht war es besser so. Du hast Selbstmitleid immerhin zu einer eigenen Kunst gemacht; jetzt hast du die Chance auf ein weiteres Meisterwerk. Er sah auf die Uhr. 23.30 Uhr. Er wählte Levines Privatnummer.
    »Hey. Ich hoffe, ich habe dich geweckt.«
    »Nicht unbedingt.«
    »Fein. Wie geht’s dem Frauchen? Wie immer oben auf?«
    »Was willst du?«
    »Ich brauche ein sicheres Haus.«
    »Warum tut es nicht ein Hotel?«
    »Da gibt es andere Gäste. Ich brauche ein sicheres Haus.«
    Neal konnte Janets Stimme im Hintergrund hören. Sie jammerte von Jahr zu Jahr besser.
    »Ich kümmere mich drum«, sagte Ed. »Noch was?«
    »Geld.«
    »Laß dir Quittungen geben.«
    »Als Allie schon mal weg war, hast du sie gefunden?«
    Die Pause war nur einen Moment zu lang. »Wovon, zum Teufel, redest du?«
    Hübscher Versuch, du verlogener Drecksack.
    »Nichts. Mach einfach weiter wie bisher.«
    Levine knallte den Hörer auf die Gabel.
    Wieso hängt mich heute eigentlich jeder ab?
    Er wählte Grahams Nummer.
    »Dad!«
    »Sohn…«
    »Hast du was rausgekriegt?«
    »Nichts.«
    »War was in Eds Schreibtisch?«
    »Nichts. Wenn wir jemals mit Allie Chase zu tun hatten, gibt es darüber jedenfalls keine Unterlagen.«
    »Na… danke für die Mühe.«
    »War mir ein Vergnügen. Wann fährst du?«
    »Morgen. Übermorgen. Ich warte auf ein paar Sachen von Ed.«
    »Stört’s dich, wenn ich wieder ins Bett gehe?«
    »Schöne Träume.«
    Neal legte schnell auf, damit er nicht schon wieder der Dumme war.
    Das Telefon weckte ihn frühmorgens.
    »Aufwachen, Arschkeks«, sagte Levine.
    »Was willst du?«
    »Nichts«, sagte er. Dann legte er auf.
    Mittags klingelte es an der Tür. Neal kochte gerade Kaffee, starken, schwarzen Kater-Kaffee, der einen wieder zum Leben erweckt. Vielleicht war es Diane, vielleicht aber auch

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