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Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Titel: Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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nicht. Er ignorierte das Läuten, bis die Klingel loslegte wie ein Maschinengewehr.
    Joe Graham hatte sich gegen den Klingelknopf gelehnt.
    »Aufwachen, aufwachen«, sagte er, als Neal die Tür öffnete. Er wartete nicht, bis er hereingebeten wurde, sondern ging an Neal vorbei, roch den Kaffee und schnappte sich eine Tasse aus dem Regal. Er betrachtete sie. »Ist die sauber?«
    »Ich habe sie selbst gewaschen.«
    »Ich riskier’s trotzdem.«
    Er goß sich eine Tasse ein und kippte Milch und Zucker dazu. Dann goß er eine zweite Tasse – schwarz, ohne Zucker – ein und stellte sie auf den Küchentisch. »Bon voyage«.
    »Weißt du etwas, was ich nicht weiß?«
    Neal nippte an seinem Kaffee und glaubte wieder an einen allmächtigen gnädigen Gott.
    »Ich weiß eine Menge Sachen, die du nicht weißt, Sohn, aber ich weiß auch, daß du heute abend um acht losfährst«, sagte Graham, holte ein Ticket aus der Innentasche seines Jacketts und warf es Neal zu. »Und daß ein Typ namens Simon Keyes – jetzt paß auf! Er ist ein Safari-Führer – dich am Flughafen abholt. Er wird fast den ganzen Sommer über weg sein. Du kannst das Kind in seinem Appartement entgiften.«
    »Ein Safari-Führer? Das wird immer irrsinniger, Graham.«
    Neal goß sich eine zweite Tasse ein.
    »Er hat einmal eine Safari mit dem Chef geführt. Er ist sozusagen ein Freund der Familie. Rate mal, was ich noch weiß.«
    »Was?«
    »Du sollst das Mädchen bis ersten August gefunden haben.«
    »Um eine bestimmte Uhrzeit?«
    »Im Ernst.«
    »Im Ernst.«
    Graham legte seine Gummiband in seine echte, wie er es immer tat, wenn er sich Sorgen machte. »Dieser Kaffee ist gar nicht so schrecklich. Ich bin überrascht. Sie wollen sie auch nicht vor dem ersten August zurückhaben.«
    »Man soll Kinder sehen, aber nicht hören?«
    »Ungefähr so.«
    Yeah, ungefähr so, dachte Neal. John Chase balanciert auf einem schmalen Grat, und er glaubt, er sei der einzige, der es weiß. Er will Allie lange genug zurückhaben, damit sie für ein paar Fotos lächeln kann, aber nicht lange genug, daß sie »Daddy’s little girl« singt. Er muß ganz schön wild auf den VP-Posten sein, wenn er dieses Risiko eingeht.
    »Was haben wir heute, den achtundzwanzigsten Mai?«
    »Den neunundzwanzigsten.«
    »Den neunundzwanzigsten. Mir bleiben also noch ungefähr neun Wochen, um sie zu suchen, zu schnappen, in Ordnung zu bringen und sie zu überreden, mit mir zu kommen. Und diese Leute wollen sie auf den Tag genau geliefert bekommen? Was ist, wenn ich das nicht schaffe?«
    Die Gummihand rieb emsig weiter. Graham gefiel die Sache auch nicht.
    »Wenn du sie nicht pünktlich bringen kannst…. dann vergiß es«, sagte er.
    »›Vergiß es‹?«
    Graham zuckte mit den Achseln. Eine eloquente Geste.
    »Okay«, sagte Neal. »Hab’s kapiert.«
    Allie ist ein paar Tage lang nützlich, wenn es die richtigen Tage sind. Wenn nicht, laß sie lieber, wo sie ist.
    »Die Sache stinkt«, sagte Graham. Seine Gummihand war blitzblank gerieben.
    »Wie beim Müllmannstreik im Juli.«
    Graham goß sich noch eine Tasse Kaffee ein. Neal wußte, daß er noch nicht fertig war.
    »Was weißt du noch, was ich nicht weiß?« fragte Neal.
    »Dein Studium. Du kannst damit weitermachen.« Graham verrührte den Zucker äußerst sorgfältig. »Im Herbst.«
    Könnte schlimmer kommen, dachte Neal. Sie hätten mich rausschmeißen können. Aber die Gummihand rieb weiter. Da war noch was, und er wußte auch schon, was.
    »Wenn ich Allie am ersten August abliefere.«
    Graham stöhnte. Nickte.
    Klatschen mit einer Hand. 

Teil II
Unter Dealern
     
13
     
    In der Nebelstadt London war es heiß. Als Neal sich aus dem Wirkungskreis von Heathrows kämpfender Klimaanlage nach draußen begab, hatte er das Gefühl, eine Sauna zu betreten.
    »Etwas wärmer als sonst«, entschuldigte Simon sich. »Wir haben eine Trockenperiode. Alles wird einheitlich braun.«
    »Ich dachte, hier regnet es immer«, sagte Neal.
    »Ich bin nur froh, daß ich bald nach Afrika fahre; ins Kühle«, entgegnete Simon.
    Neal lachte höflich über diesen Witz, bis Simons erstaunte Miene ihm verriet, daß es gar keiner gewesen war.
    »Es ist wirklich kühler. Waren Sie mal dort?«
    »Nein, leider nicht.«
    Simon war ein Exzentriker. Neal schätzte ihn auf Ende Fünfzig, aber er konnte sich auch zehn Jahre hin und her irren. Er war groß und kantig, und sein Adamsapfel schien einem wilden Tier zu gehören. Er marschierte mit dieser typisch britischen

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