Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1
verheiratetes schwules Paar vermietet.
»Schließlich«, erläuterte Simon, als sie die schmale Treppe zu seiner Wohnung hinaufgingen, »verbringe ich den Großteil meiner Zeit in Afrika. Was soll ich also mit einem ganzen Haus?«
Die Wohnung war nicht groß. Das Wohnzimmer lag zur Straße und reichte über die ganze Breite. Von ihm ging eine kleine Küche ab, an die Schlaf- und Badezimmer grenzten.
Vor einem der beiden Panoramafenster, die das Wohnzimmer erhellten, stand eine Liege. Simon stellte Neals Tasche daneben. »Ihr Bett, zumindest bis ich nächste Woche abreise. Ich hoffe, es gefällt Ihnen.«
»Klasse«, sagte Neal, und dann sah er die Wände. Sein Mund blieb offenstehen.
Simon sagte: »Meine andere Schwäche. Ich mag Bücher.«
Wie wahr. Die Wände des Raumes waren im Grunde ein einziges großes Regal, ein kleiner Tisch in der Mitte des Zimmers brach fast unter dem Gewicht der Kataloge zusammen, und in jeder Ecke stapelten sich Bücher. Neal trat an das Regal heran und betrachtete die Buchrücken. Viele Memoiren von Entdeckern des neunzehnten Jahrhunderts – Burton, Speke, Stanley –, und alles Erstausgaben. Dann entdeckte Neal die Werke von Fielding und Smollett.
»Simon, das ist ja unglaublich.«
Simon freute sich sichtlich. »Sie lesen?«
Neal nickte und starrte die Bücher an.
»Was lesen Sie?« fragte Simon.
»Das«, sagte Neal und zeigte auf das Regal. »Genau das. Als Taschenbuch.«
»Sie dürfen die Bücher anfassen.«
»Nein, ist schon in Ordnung.«
»Sie werden nicht auseinanderfallen.«
Neal hatte Angst, daß sie genau das täten – so alte, so wertvolle Bücher. Er könnte vermutlich den Rest seines Lebens quietschvergnügt in diesem Raum verbringen.
»Sammeln Sie?« fragte Simon.
»Ich bin ein mittelloser Student.«
»Ich dachte, Sie wären Privatdetektiv?«
Neal lächelte. »Das auch.«
Und damit verdiene ich trotzdem kein Geld, dachte er.
»Was studieren Sie?«
»Literatur des achtzehnten Jahrhunderts.«
»Eigenartige Kombination, Detektiv und Akademiker.«
Eine Menge ironischer Kommentare kamen Neal in den Sinn, aber er sagte nur: »In beiden Bereichen muß man recherchieren.«
»Das stimmt natürlich.«
Nicht einmal mit einem Stemmeisen hätte man Neals Blick von den Büchern lösen können.
»Wer ist Ihr Lieblingsautor?« fragte Simon.
»Ich schreibe meine Arbeit über Smollett.«
»Ach.«
Das sagen alle, dachte Neal. Was sie meinen, ist: Ach, wie langweilig.
Simon ging zum Bücherregal und nahm vier Bände heraus. Er gab Neal einen davon und schaute ihn erwartungsvoll an.
»Simon, das ist eine der seltenen Erstausgaben von Smolletts Die Abenteuer des Peregrine Pickle.«
Simon grinste. »Die ungekürzte von 1751. Aber das ist noch nicht alles.« Er zeigte mit dem Kinn auf das Buch; Neal sollte hineinsehen.
»Handschriftliche Notizen…« Neal betrachtete die Notizen genauer. Er wollte seinen Augen kaum trauen, aber das sah tatsächlich aus wie die Handschrift vom alten Smollett höchstpersönlich. Er blickte zu Simon auf und zog die Augenbrauen hoch.
Simon nickte begeistert. »Von Smollett selbst. Tolle Sachen. Gemeine Kommentare über die Leute, die er beschreibt, kleine Randbemerkungen, so was.«
Neals Hände fingen an zu zittern. »Simon, das ist…«
»Der Pickle.«
»Es gab nur Gerüchte, daß dieses Buch existiert.«
Simon kicherte. »Ich weiß.«
»Das muß viel wert…«
»Ich hab zehn dafür bezahlt.«
»Tausend?«
»Ja.«
»Pfund?«
»Ja.«
Neal schluckte. Mit den Notizen in diesen vier Bänden könnte er seine Arbeit untermauern. Karriere machen… Er gab Simon das Buch zurück.
»Ich könnte es für zwanzig oder so verkaufen. Vielleicht sollte ich das tun. Ich bin nicht so scharf auf Smollett, muß ich zugeben.«
»Kein Problem.«
Nur eine Handvoll Leute waren wild auf Smollett, darunter Professor Leslie Boskin von der Columbia University.
Simon legte die vier Bände auf Neals Bett. »Ich kenne einen Sammler, Arthur »Arschloch« Kendrick… Sir Arthur »Arschloch« Kendrick. Er hat den Verdacht, daß ich diese Bücher besitze. Er würde ein Vermögen dafür zahlen.«
»Warum lassen Sie es ihn dann nicht tun?«
»Das Schwein liebt Bücher nicht. Er will sie nur besitzen. Für ihn sind Bücher eine Investition, eine Geldanlage. Er hat keine Bücher verdient.« Simon wurde rot. »Sie sind einer der wenigen, die wissen, daß ich diese Bücher besitze. Einer der wenigen, die überhaupt wissen, daß es diese Bücher
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