Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1
eine Art Prostituierten-Wettlauf.«
»Na und? Das ist doch nicht verboten.«
»Es ist unziemlich.«
»Es macht Ihnen also nichts aus, wenn Gäste sich Huren aufs Zimmer kommen lassen, Sie wollen nur nicht als Stundenhotel verschrien sein.«
Hatcher schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts dagegen, wenn Gäste sich Huren aufs Zimmer kommen lassen, aber ich möchte ein Stück vom Kuchen.«
Neal grinste.
»Bitte verstehen, Sie, Mr. Carey«, sagte Hatcher. »Diese Telefon-Bestellungen lassen die Jungs außen vor – die Pagen, den Empfangschef, die Polizisten in der Nähe, die bald pensioniert und vorher bestimmt nicht mehr befördert werden…«
»Was also schlagen Sie vor?« Neal konnte erkennen, daß es dem Cop unangenehm war, es auszusprechen.
»Ich schlage vor, daß Sie versuchen, Ihre Libido ein wenig unter Kontrolle zu halten, und wenn es doch einmal nötig wird, dann geben Sie einfach dem Pagen Bescheid.«
Wenn ich mich nur durch die Betten wühlen wollte, dachte Neal, wäre das ja kein Problem. Aber meine einzige Chance, Allie zu finden, ist via Telefon. Er stand auf und ging zur Tür. »Tut mir leid.«
Hatcher ignorierte diese Aufforderung gänzlich. »Darf ich mich ein wenig umsehen?«
»Es ist Ihre Stadt.«
»Was bringt Sie nach London?« tönte es aus dem Bad.
»Geschäfte.«
»Sie waren schon sehr geschäftig.«
Neal wußte, was jetzt passieren würde.
»Oje«, sagte Hatcher. Er kam mit einer kleinen Plastikschachtel aus dem Bad.
»Das ist nicht meine«, sagte Neal.
Hatcher griff in seine Jackentasche und holte ein Paar Handschellen hervor. »Trotzdem.«
Neal streckte die Hände aus, um seine Kooperationsbereitschaft zu demonstrieren, und sagte: »Warum verrate ich Ihnen eigentlich nicht, weshalb ich wirklich hier bin?«
Hatcher kam nach einer halben Stunde mit den Telefonlisten des Hotels wieder.
»Ihr Mackensen hat nur drei Anrufe von seinem Zimmer aus gemacht.«
Sie verglichen die Nummern mit den Kleinanzeigen. Nummer elf paßte. Neal griff nach dem Hörer.
»Nicht mehr in Betrieb. Ich hab’s schon überprüft.« »Aber die nächste Nummer muß die von dem Dealer sein.« »Stimmt, aber auch das hilft uns nicht weiter. Das ist eine Telefonzelle am Leicester Square.«
In zehn Minuten waren sie da. Hatcher zeigte auf eine Telefonzelle. Sie war frei.
»Ihr Dealer ist nicht blöd«, sagte er. »Die Mädchen wußten, wie sie ihn erreichen können. Vielleicht hat er bestimmte Sprechzeiten. Verschiedene Zellen zu verschiedenen Zeiten. Ich geb Ihnen jetzt einen Rat, auch wenn Sie ihn vielleicht nicht hören wollen. Lassen Sie’s. Fahren Sie zurück in die Staaten und sagen Sie Ihrer Tante und Ihrem Onkel, daß sie ihre Tochter besser vergessen sollen. Ihre Bemühungen in allen Ehren, aber… Selbst wenn Sie sie finden, kriegen Sie vermutlich eher ein Messer in den Bauch als Ihre Cousine wieder. Sie sind ein Fremder in der Drogenszene.«
»Ich muß es versuchen.« Er bemühte sich, edel und gut aufzutreten.
»Wie Sie wollen.«
»Danke für Ihre Hilfe.«
Hatcher lächelte. »Vergessen Sie’s. Und das meine ich wörtlich.«
Neal räumte auf. Er sammelte die Magazine und Zeitungen ein und warf sie in den Papierkorb. Er riß das Fenster auf und ließ den Rauch raus. Er spülte die Gläser im Waschbecken, und dann mixte er sich einen weiteren Drink, während er das Badewasser einließ.
Nicht so schlecht, dachte er, als er im heißen Wasser lag. Er hatte zwar keine Adresse, aber immerhin hatte er die Telefonzelle. Das paßte zu Mackensens Story. Und er nahm sich vor: Morgen überwache ich die Zelle. Und finde den Dealer. Der mich zu Allie bringt.
Kein Problem.
17
Das Dumme war nur, daß er nicht da war.
Also wartete Neal, was gar nicht so schlimm gewesen wäre, wenn die gottverdammte Hitze nicht gewesen wäre. Neal hatte schnell gelernt, »gottverdammte Hitze« zu sagen, denn das sagten alle hier. In einem Land, in dem man Klimaanlagen für dekadent hielt und für einen Eiswürfel im Drink extra bezahlen mußte, war so eine Hitzewelle wahrlich eine Plage.
Neal schwitzte lange Nachmittage auf dem Leicester Square. Er hatte sich eine Bank ausgesucht, von der aus er gute Sicht auf die Telefonzelle und ihre Umgebung hatte. Nun ist eine öffentliche Bank allerdings eine eifersüchtig überwachte Sache, also war Neal vorsichtig und blieb nicht zu lange sitzen. Sonst wären vielleicht irgendwelche Penner oder paranoiden Taubenfütterer auf ihn aufmerksam geworden,
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