Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord
zuschnappen. Oder Francine, irgendwo in der Nähe der Toiletten oder vielleicht sogar darin. Sie sieht den Köder, es rührt ihr das Herz an, sie wird geschnappt. Es sind einfach noch zu viele Leute in der Schule, um zu riskieren, sie aus der Travis wegzuschaffen, also schließen sie sie in einen Spind im Umkleideraum ein. Wie viel einfacher ist das unter Zeitdruck zu bewerkstelligen, wenn sie zu zweit sind! Es ist Mittwoch, die Turnhallen sind leer, und der Chemieraum befindet sich unmittelbar neben dem Toilettentrakt. Bei Margaretta schläft eine Schwester keinen Meter entfernt. Kein Köder, aber würde dieser Killer das Risiko eingehen, Linda zu wecken, wenn er doch sonst so minutiös plant? Der für den Köder zuständige Mann hat eine neue Aufgabe, nämlich Lindaim Auge zu behalten und sofort zu handeln, sobald sie sich rührt. Als sie das nicht tut, ist es wirklich ein Klacks für zwei Männer, ein Mädchen durch ein Fenster zu heben, einer steht innen, der andere draußen.«
»Warum musst du dir alles so schwermachen?«, fragte Patrick.
»Dinge sind so schwer, wie sie eben sein müssen, Patsy. Wenn ein Killer nicht ausreicht, dann müssen wir eben von zweien ausgehen.«
»Da stimme ich Ihnen zu«, sagte Silvestri plötzlich, »aber wir werden auch nicht ein Sterbenswörtchen über Carmines Theorie außerhalb dieses Raumes verlieren.«
»Eines noch, John. Das Partykleidchen. Ich würde es gern Desdemona Dupre zeigen.«
»Warum?«
»Weil sie unglaubliche Stickereien produziert. Das Kleid besitzt keine Etiketten, niemand hat so etwas je zuvor gesehen, und ich möchte versuchen herauszufinden, wo ich mit der Suche nach demjenigen beginnen soll, der es hergestellt hat. Das bedeutet, ich muss wissen, was so etwas kosten würde, wenn es in einem Geschäft gekauft worden wäre, oder wie viel jemand wie Desdemona für die Maßanfertigung eines solchen Kleides berechnen würde. Sie nimmt Aufträge an, sie wird es wissen.«
»Sicher, wenn Paul es sich vorgenommen hat – und wenn Sie ihr vertrauen, dass sie es nicht überall herumerzählt.«
»Ich vertraue ihr.«
Kapitel achtzehn
Montag, den 24. Januar 1966
Die Zeitschrift, wenn man nach einer Person suchte, die per Annonce einen Partner für Geschäfte über Sex bis zu Mord suchte, war der
National Enquirer
, der im ganzen Land gelesen wurde und in jedem Supermarkt an der Kasse erhältlich war. Nachdem er mit den drei Psychiatern gesprochen hatte, die sich auf Mord spezialisiert hatten, konnte Carmine Abe und Corey mit einigen Schlüsselworten ausstatten, bevor er sie losschickte, um die Kontaktanzeigen zwischen Januar 1963 und Juni 1964 zu lesen. Das Gespenst mochte sich bereits in der grausigen Zusammenarbeit befinden, bevor das erste Mädchen verschwand, oder es könnte auch erkannt haben, um wie viel einfacher seine Aufgabe mit einem Helfer wurde, nachdem es seine Mörderkarriere begonnen hatte.
Die Natur des Köders war Carmine nun ziemlich klar: etwas, das Mitleid erregte, das einen unwiderstehlichen Reiz auf eine empfindsame junge Frau mit weichem Herzen ausübte. Damit ließ er diesen Gedankengang auf sich beruhen und konzentrierte sich stattdessen auf die Frage, in welcher Art Räumlichkeiten die Mädchen gefangengehalten wurden, während sie vergewaltigt und getötet wurden. Die Polizei ging allgemein davon aus, dass die Morde in Örtlichkeiten stattfanden, die eher provisorischer Natur waren. Lediglich Patrick schloss sich Carmines Ansicht an, dass die Morde in Räumlichkeiten passierten, die alles andere waren als provisorisch. Jeder, der so besessen war, dass er eine Mitteilung aufsetzte, würde wollen, dass sein »Labor« perfekt ist.
Nach der Entdeckung von Margaretta Bewlees Leiche auf dem Grundstück eines Huggers überschlugen sich die Hugger praktisch, der Polizei die Genehmigung anzubieten, zu durchsuchen, was und wo immer sie wollten. Sogar Satsuma, Chandra und Schiller wurden mürbe. Maurice Finchs Champignon-Tunnel wurde unter die Lupe genommen; eine weitere Durchsuchung von Benjamin Liebmans Totenhalle ergab nichts; Addison Forbes’ »Horst« bestand aus zwei Räumen, einer über dem anderen, vollgestopft mit ordentlich aufgestapelter oder auf Regalen untergebrachter Fachliteratur; der smithsche Keller war nichts als ein Modelleisenbahnparadies; Walter Polonowskis Blockhütte war ein Liebesnest voller Fotografien von Marian in absolut schicklichen Posen, eines großen Betts und einer winzigen Küche. Paola Polonowski hatte die
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