Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord
rosa Kleidchen mit 265 Strasssteinen besetzt war und jeder einzeln untersucht werden musste, um sicherzugehen, dass sich allein ein Satz Fingerabdrücke auf ihnen befand, vermutlich die der Näherin, vergingen sechs Tage, bis Carmine das Kleidungsstück Desdemona zeigen konnte.
Als er bei ihr klingelte, fühlte er sich alberner und ängstlicher als damals auf der Highschool, als das damalige Mädchen seiner Träume ja gesagt hatte, er könne mit ihr zum Schulball gehen. Der Mund knochentrocken, das Herz bis in den Hals schlagend – alles, was jetzt fehlte, war das kleine Anstecksträußchen.
»Desdemona, ich bin’s, Carmine. Es ist beruflich. Drücken Sie nicht auf, ich gebe die Kombination selbst ein.«
»Wie geht’s Ihnen?«, fragte er, legte ab und stellte die Schachtel mit dem Kleid – Mist, was würde sie jetzt denken? – auf den Tisch.
Sie sah weder glücklich noch traurig aus, ihn jetzt zu sehen. »Mir geht’s gut, aber ich langweile mich zu Tode«, antwortete sie. Dann schnipste sie mit einem Finger gegen die Schachtel. »Und was ist das hier?«
»Etwas, worüber Sie niemandem gegenüber ein Wort verlieren dürfen, wie ich dem Commissioner zusichern musste. Sie wissen vielleicht nicht, dass Margaretta Bewlee, das letzte Opfer, in einem Partykleidchen gefunden wurde. Wir können es nicht zurückverfolgen, aber ich dachte, bei Ihrem geschulten Blick könnten Sie uns vielleicht etwas darüber sagen.«
Sie hatte die Schachtel inzwischen geöffnet, schüttelte das Kleid auf, hielt es dann hoch, drehte es um und breitete es schließlich auf dem Tisch aus. »Ich nehme an, das letzte Mädchen ist nicht in Stücke gehackt worden?«
»Nein, man hat ihr nur den Kopf abgetrennt.«
»In der Zeitung stand, sie war groß. Das hier dürfte ihr dann aber nicht gepasst haben.«
»Hat’s auch nicht, aber sie wurde trotzdem hineingezwängt. Ihre Schultern waren zu breit, so dass der Täter es auf dem Rücken nicht zuknöpfen konnte, und das führt zu meiner ersten Frage – warum Knöpfe? Heutzutage wird doch alles mit Reißverschlüssen gemacht.«
Paul hatte das Kleid zugeknöpft, und jetzt glitzerten die Knöpfe im Licht der Lampe über dem Tisch wie echte Juwelen. »Genau deshalb«, sagte sie und betastete einen. »Ein Reißverschluss hätte doch die Wirkung komplett ruiniert. Dieses Glitzern und Funkeln.«
»Haben Sie ein solches Kleid schon mal gesehen?«
»Nur auf einer Pantomimenbühne, als ich noch ein Kind war. Das hier ist jedoch viel prächtiger.«
»Ist es Handarbeit?«
»Zum Teil, wahrscheinlich aber in erheblich geringerem Umfang, als Sie wahrscheinlich annehmen. Die Strasssteine sind aufgenäht worden, ja, aber von einem Fachmann, der sie schneller befestigen kann, als Sie Schmorfleisch verdrücken. Die Näherin arbeitet im Akkord, also sticht sie ihre Nadel durch das Loch, legt ihr Garn einmal um den Strassstein und geht dann mit der Nadel durch die Spitze zum nächsten Strassstein – verstehen Sie?«
Carmine verstand.
»Manche fehlen, weil sie nicht richtig oder fest genug angenäht wurden, und dann lösen sie sich an einem Strang, der so lang ist wie der Garnfaden in der Nadel – verstehen Sie?«
»Ich dachte, das hätte Paul vielleicht im Labor gemacht.«
»Nein, wahrscheinlicher ist das passiert, als es mit zu wenig Feingefühl angefasst wurde, und ich kann mir nicht vorstellen, dass man in einem forensischen Labor so damit umgeht.«
»Unter dem Strich sagen Sie also, dass dieses Kleid durchaus bezahlbar ist?«
»Wenn man etwas über einhundert Dollar für ein Kleidchen ausgeben kann, das das Kind wahrscheinlich nur ein- oder zweimal trägt, dann ja. Wer immer diese Kleider herstellt und verkauft, weiß, wie oft das Kleidchen getragen werden wird, also spart man an so vielen Ecken und Enden wie möglich. DasFutter ist synthetisch, nicht aus Seide, der Unterrock ist aus billigem Netzgewebe.«
»Was ist mit der Spitze?«
»Französische Spitze, aber keine Spitzenqualität. Maschinell hergestellt.«
»Bei so einem Preisschildchen, sollten wir da in den Kinderabteilungen von Kaufhäusern wie Saks und Bloomingdale’s in New York City suchen? Oder vielleicht bei Alexander’s in Connecticut?«
»Ganz sicher in einem Geschäft oder Kaufhaus der oberen Preisklasse. Ich würde das Kleid auch protzig nennen und nicht elegant.«
»So wie eine aufgedonnerte Kuh«, sagte er gedankenverloren.
»Entschuldigen Sie bitte?«
»Ach, nur so eine Redensart.« Er holte tief Luft. »Verzeihen
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