Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord
der Gouverneur nie wieder erleben wollte. Demonstrationen hatten sich zu schweren Ausschreitungen hochgeschaukelt, Häuser brannten, Geschäfte wurden geplündert, es kam zu Schusswechseln. Trotz der Tatsache, dass sich sein Anhänger Ali el Kadi von ihm abgewandt hatte, ergriff Mohammed el Nesr seine Chance und führte die Black Brigade in einen kleinen Krieg, der endete, als bei einer Razzia in der Fifteenth Street Nummer 18 in The Hollow über tausend Schusswaffen beschlagnahmt wurden. Was kein Cop verstehen konnte, war, warum Mohammed nicht bereits lange vor der Razzia sein Waffenlager verlegt hatte. Bis auf Carmine, der glaubte, dass Mohammed sich auf dem absteigenden Ast befand und dies auch wusste; selbst seine eigenen Männer fingen an, Wesley le Clerc mehr zu bewundern.
Ungeachtet des Schicksals der Black Brigade war bereits eine Woche vor Beginn von Wesleys Prozess klar, dass es zu einer gewaltigen Massendemonstration zur Unterstützung des Monstertöterskommen würde und dass nicht alle, die beabsichtigten, nach Holloman zu marschieren, friedliche Absichten hegten. Spitzel und Informanten berichteten von 100 000 schwarzen und 75 000 weißen Demonstranten, die sich an dem Montag, an dem Wesleys Verhandlung beginnen sollte, bei Morgengrauen auf dem Holloman Green niederlassen wollten. Sie kamen von so weit weg wie L. A., Chicago, Baton Rouge (Wesleys Heimatstadt) und Atlanta, obwohl die meisten in New York, Connecticut und Massachusetts lebten. Ein Sammelplatz war festgelegt worden: Maltravers Park, ein botanischer Garten zehn Meilen außerhalb von Holloman. Und dort versammelten sich von Sonntag an die Menschen zu Tausenden. Der Beginn des Marsches nach Holloman war auf fünf Uhr morgens festgelegt und sehr gut organisiert. Aus Furcht vor Straßenkämpfen vernagelten die verängstigten Einwohner von Holloman Schaufenster, Türen und Erdgeschossfenster mit Brettern.
Am Sonntagmorgen forderte der Gouverneur die Nationalgarde an, die dann Montag bei Tagesanbruch in Holloman einfiel, um noch vor den Demonstranten das Green zu besetzen: Truppentransporter, gepanzerte Fahrzeuge und schwere Lastwagen ließen die Häuser in ihren Fundamenten erbeben, während ganz Holloman zitternd eng zusammenrückte und mit großen Augen verfolgte, wie sie vorbeidonnerten.
Doch die Demonstranten kamen nie an. Niemand wusste wirklich, warum nicht. Vielleicht schreckte sie die Aussicht auf eine Konfrontation mit gutausgebildeten Truppen ab, vielleicht hatten aber auch die meisten sowieso nie weiter als bis zum Maltravers Park gehen wollen. Montagmittag war der Maltravers Park leer, das war’s. Wesley le Clercs Prozess begann, und inmitten eines Meeres von Nationalgardisten fanden sich weniger als fünfhundert Demonstranten auf dem Holloman Green ein. Als dann Freitagnachmittag das Urteil verkündet wurde,kehrten diese fünfhundert lammfromm nach Hause zurück. War es die öffentliche Demonstration hoheitlicher Gewalt? Oder hatte das bloße Zusammenkommen bereits all jene zufriedengestellt, die zum Maltravers Park gekommen waren?
Wesley le Clerc verschwendete keine Zeit damit, sich um seine Unterstützer Gedanken zu machen oder sich über sie zu wundern. Freitagnacht wurde er in ein Hochsicherheitsgefängnis im Norden des Bundesstaates verlegt, wo er am darauffolgenden Montag den Gefängnisdirektor um Erlaubnis bat, ein Jura-Grundstudium zu beginnen. Der kluge Beamte freute sich, dieses Gesuch zu bewilligen. Immerhin war Wesley erst fünfundzwanzig Jahre alt. Wenn er beim ersten Antrag auf Bewährung entlassen würde, wäre er siebenunddreißig und besaß höchstwahrscheinlich einen Doktortitel der Jurisprudenz. Wegen seiner Vorstrafe würde er zwar keine Zulassung als Anwalt erhalten, aber das Wissen, das er sich angeeignet haben würde, wäre weitaus wichtiger. Sein Fachgebiet würde das U. S. Supreme Court sein. Denn immerhin, er war der Monstertöter, der Heilige von Holloman. Mach dir ruhig Sorgen, Mohammed el Nesr, du bist Geschichte.
Ich
bin jetzt der Boss.
Kapitel zweiunddreißig
Carmine und Desdemona heirateten Anfang Mai und verbrachten als Gäste von Myron Mendel Mandelbaum ihre Flitterwochen in L. A.; die Nachbildung des Hampton Court Palace war so riesig, dass ihre Anwesenheit weder Myron noch Sandra in Verlegenheit brachte. Myron stand jederzeit für sie zur Verfügung, wohingegen Sandra auf Wolke sieben der Bewusstlosigkeit schwebte. Etwas zu Carmines und Myrons Überraschung entschied sich Sophia,
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