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Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord

Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord

Titel: Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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vermute, Mama hat von Anfang an gewusst, dass Mrs Cantone Daddys Geliebte war, aber eine lange Zeit ging alles gut. Dann gab es einen schrecklichen Streit. Mama bestand darauf, dass Mrs Cantone ginge, Daddy bestand darauf, dass sie bliebe.«
    »Hatte Mrs Cantone ein Kind?«, fragte Carmine.
    »Ja, ein kleines Mädchen namens Emma. Ein paar Monate älter als ich«, sagte Claire verträumt und lächelte. »Wir spielten zusammen und aßen gemeinsam. Ich konnte damals schon nicht besonders gut sehen, und so war Emma ein klein wenig mein Blindenhund. Charles und Morton hassten sie. Sehen Sie, der Streit kam deswegen, weil Mama herausfand, dass Emma Daddys Tochter war – unsere Halbschwester. Charles hatte die Geburtsurkunde gefunden.«
    Sie schwieg, der Fuß kraulte Biddy weiter.
    »Wie ging der Streit aus?«, fragte Carmine.
    »Daddy musste am nächsten Tag zu einem dringenden Termin, und Mrs Cantone verließ uns mit Emma.«
    »Wann war das genau?«
    »Lassen Sie mich nachdenken … Ich war fast sechs, als er umgebracht wurde – ein Jahr davor.«
    »Wie lange war Mrs Cantone schon bei Ihnen, als sie ging?«
    »Achtzehn Monate. Sie war eine ausgesprochen hübsche Frau – Emma war ihr Ebenbild. Dunkel. Mischblut. Ihre Stimme war wundervoll. Ein Jammer, dass ihre Worte immer so banal waren.«
    »Also warf Ihre Mutter sie hinaus, während Ihr Vater unterwegs war.«
    »Ja, aber ich glaube, da war noch mehr. Wenn wir Kinder nur ein bisschen älter gewesen wären, könnte ich Ihnen mehr sagen, oder wenn ich, das Mädchen, die Älteste gewesen wäre – Jungen sind nicht so aufmerksam, wenn es um Emotionen geht. Mama konnte Menschen in Angst versetzen. Sie konnte Macht über andere ausüben. Ich habe oft mit Charles darüber gesprochen, und wir waren uns einig, dass Mama gedroht hatte, Emma umzubringen, wenn die beiden nicht für immer verschwänden. Und Mrs Cantone hat ihr geglaubt.«
    »Wie hat Ihr Vater reagiert, als er nach Hause kam?«
    »Es gab einen heftigen Streit. Daddy schlug Mama und rannte dann aus dem Haus. Er kam für lange nicht zurück – Tage? Wochen? Eine lange Zeit. Ich erinnere mich daran, dass Mama oft rastlos auf und ab ging. Dann kehrte Daddy zurück. Er sah entsetzlich aus, sprach nicht mit Mama, und wenn sie versuchte, ihn zu berühren, schlug er sie oder stieß sie weg. Dieser Hass! Und er – er weinte. Ständig, so schien es uns. Ich könnte mir denken, er kam unseretwegen nach Hause, aber er schleppte sich nur durch die Gegend.«
    »Glauben Sie, Ihr Vater hat nach Mrs Cantone gesucht und konnte sie nicht finden?«
    Die wasserblauen Augen schauten in eine blinde Unendlichkeit. »Nun, das wäre die logische Erklärung, oder? Eine Scheidung wurde schon damals verziehen, trotzdem zog Daddy es vor, Mrs Cantone als Angestellte bei sich im Haus zu haben. Mama, um den Schein zu wahren, und Mrs Cantone für seinefleischlichen Genüsse. Eine Mulattin aus der Karibik zu heiraten hätte seinen Ruf ruiniert, und Daddy war sein sozialer Status wichtig. Immerhin war er ein Ponsonby aus Holloman.«
    Wie gleichgültig sie ist, dachte Carmine. »Wusste Ihre Mutter, dass er das Geld an der Wall Street verloren hatte?«
    »Erst, nachdem Daddy tot war.«
    »Hat sie ihn umgebracht?«
    »Aber ja. Sie hatten an dem Nachmittag den schlimmsten Streit von allen – wir konnten sie oben hören. Wir haben nicht alles von dem verstanden, was sie gebrüllt haben, aber wir hörten genug, um zu begreifen, dass Daddy Mrs Cantone und Emma gefunden hatte. Und dass er vorhatte, Mama zu verlassen. Er zog seinen besten Anzug an und fuhr in seinem Auto davon. Mama schloss uns drei in Charles’ Zimmer ein und verließ das Haus mit dem zweiten Wagen. Es hatte angefangen zu schneien.« Ihre Stimme klang kindlich, als würde die pure Kraft dieser Erinnerungen sie zurück durch die Zeit schieben. »Weiter und weiter schwirrten die Schneeflocken herum, genauso, wie sie es in einer Glaskugel tun. Wir warteten endlos lang! Dann hörten wir Mamas Auto und begannen, an die Tür zu klopfen. Mama öffnete die Tür, und wir stürzten nach draußen – oh, wie dringend wir auf die Toilette mussten! Die Jungs ließen mir den Vortritt. Als ich herauskam, stand Mama im Hausflur mit einem Baseballschläger in der rechten Hand. Er war voller Blut, genauso wie sie. Dann kamen Morton und Charles aus dem Badezimmer, sahen sie und führten sie weg. Sie zogen sie aus und badeten sie, aber ich war vor lauter Hunger nach unten in die Küche gegangen. Charles

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