Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord
–« Sie hielt sich die Hand vor den Mund. »Das meinte ich nicht wörtlich. Tamara ist eine dumme Ziege, aber ich denke, ihre Verbrechen sind eher moralisch und nicht tödlich. Sie treibt es mit jemandem, und sie hat Angst davor, dass es rauskommt. Wie ich sie kenne, ist es mehr als nur an verbotenen Früchten naschen. Sie liebt ihn, aber er hat eine Bedingung gestellt – heimlich oder gar nicht.«
»Das bedeutet, er ist entweder wichtig oder hat Angst vor seiner Frau. Wer noch außer dem Professor?«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Oh, Carmine, wirklich! Wir stehen alle unter Druck. Alle hoffen und beten, dass, wenn dieses Monster wieder zuschlägt, er das Hug nicht darin verwickelt. Die Moral ist so am Boden, dass die Forschung furchtbar leidet. Chandra und Satsuma reden davon, sie wollen gehen, und speziell Chandra ist unsere helle, strahlende Hoffnung. Eustace hatte einen weiteren fokalen Anfall – das hat sogar den Professor aufgemuntert. Das hat das Zeug zum Nobelpreis.«
»Ein Hoch aufs Hug«, sagte Carmine trocken. Sein Gesicht veränderte sich. Er ging vor ihrem Stuhl auf die Knie und nahm ihre Hände. »Sie verheimlichen mir etwas, das Ihnen Sorgen macht. Sagen Sie es mir.«
Desdemona drehte sich weg. »Warum sollte ich besorgt sein?«
»Weil Sie zur Arbeit mit dem Auto fahren. Ich habe die Corvette auf dem Parkplatz des Hug gesehen – ich komme momentan recht häufig dort vorbei.«
»Ach, das meinen Sie! Es wird langsam zu kalt zum Laufen.«
»Das ist es aber nicht, was mir mein kleiner Vogel über Sie zuflüstert.«
Sie stand auf und ging hinüber zum Fenster. »Es ist einfach nur dumm. Alles nur Spinneritis.«
»Was ist Spinneritis?«, fragte er und stellte sich neben sie.
Er strahlte Wärme aus; sie hatte das schon früher bemerkt und fand es auf merkwürdige Art angenehm. »Oh, also –«, setzte sie an, hielt kurz inne und legte dann los, als ob sie die Worte herausbringen wollte, bevor sie Gelegenheit hatte, es zu bereuen. »Jemand ist mir jeden Abend auf dem Nachhauseweg gefolgt.«
Er lachte nicht, aber er war auch nicht angespannt. »Woher wissen Sie das? Haben Sie jemanden gesehen?«
»Nein, niemanden. Das ist es ja, was mir Angst macht. Ich habe das Rascheln von Schritten im Laub gehört, und sie haben aufgehört, wenn ich stehengeblieben bin, aber eben nicht schnell genug. Trotzdem – niemand!«
»Gespenstisch, oder?«
»Ja.«
Er seufzte, legte seinen Arm um sie, führte sie zu einem Sessel und gab ihr einen weiteren Cognac. »Sie sind niemand, der zu Panik neigt, und ich bezweifle, dass es Einbildung ist. Allerdings glaube ich nicht, dass es das Monster ist. Lassen Sie Ihren Wagen eine Weile stehen. Meine Mutter hat einen alten Merc, den sie nicht braucht, den können Sie haben. Der bringt die örtlichen Ganoven nicht in Versuchung, und vielleicht kommt die Botschaft ja bei dem Kerl an, der Ihnen nachstellt.«
»Das kann ich nicht annehmen.«
»Natürlich können Sie. Kommen Sie, ich folge Ihnen bis nach Hause und bringe Sie zur Haustür. Der Merc wird morgen früh da sein.«
»In England«, sagte sie, als er sie zu ihrer Corvette begleitete, »wäre ein Merc ein Mercedes Benz.«
»Bei uns«, meinte er und hielt ihr die Tür auf, »ist es ein Mercury. Sie haben zwei Cognac getrunken und einen Lieutenant im Schlepptau, also fahren Sie vorsichtig.«
Er war so freundlich, so großzügig. Desdemona lenkte den hellroten Sportwagen vom Bordstein weg, als Carmine in seinem Ford saß, sie begriff, dass ihre Angst verflogen war. War das alles, was nötig war? Einen starken Mann an der Seite zu haben?
Er überwachte das Absperren der Corvette und begleitete sie dann zur Haustür.
»Ab hier komme ich schon zurecht«, sagte sie und streckte ihre Hand aus.
»Oh, nein. Ich schaue auch oben nach, ob alles in Ordnung ist.«
»Es ist ziemlich unordentlich«, entgegnete sie und begann, die Stufen zu erklimmen.
Aber die Unordnung, die sie erwartete, war nicht das, was sie gemeint hatte. Ihr Handarbeitskorb lag am Boden, der Inhalt war überall verstreut, und ihre neue Stickerei, das Messgewand eines Priesters, hing in Fetzen über ihrem Stuhl.
Desdemona schwankte. »Meine Arbeit, meine wundervolle Arbeit!«, flüsterte sie. »So weit ist er noch nie gegangen.«
»Sie meinen, er war schon mal hier?«
»Ja, mindestens zweimal. Er hat meine Arbeit angefasst, aber er hat sie nicht ruiniert. Ach, Carmine!«
»Hier, setzen Sie sich.« Er drückte sie in einen anderen Sessel
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