Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord
Professor Smith? Polonowski? Ponsonby? Finch? Forbes? Ich hab’s im Jahrbuch der Chubb nachgeschlagen. Sie haben alle ihren Facharzt in Psychiatrie gemacht. Sie sind nicht einfach nur Neurologen, sie haben das volle Programm durchgezogen.«
»Scheiße«, sagte Carmine. »Ich hatte nur den Doktor gesehen. Ich hab’s nicht verdient, diese Sondereinheit zu leiten.«
»Sondereinheiten basieren immer auf Kooperation«, beruhigte Silvestri. »Wir wissen es ja jetzt, nur: Welchen Unterschied macht das?«
»Könnte es eine Frau sein?«, fragte Marciano mit nachdenklich gerunzelter Stirn.
»Die Psychiater sagen nein, und zur Abwechslung bin ich ihrer Meinung«, antwortete Carmine überzeugt. »Dieser Killer jagt Frauen, ist aber selber keine. Vielleicht wäre er gern eine, die genau so aussieht wie unsere Mädchen – wer zum Teufel weiß das schon? Wir tappen völlig im Dunkeln.«
Desdemona hatte aufgehört, zur Arbeit zu gehen. Sie sagte sich zwar, sie sei eine Närrin, konnte sich aber von dem Gefühl nicht befreien, das sie bei jedem Schritt durchs Laub befiel – irgendjemand folgte ihr, jemand, der zu schlau war, um dabei erwischt zu werden. Allein die Vorstellung daran, ihre geliebte Corvette auf einem Parkplatz am Rande eines Ghettos zurückzulassen, ging ihr gegen den Strich, aber sie konnte es nicht ändern. Wenn das Ding gestohlen würde, dann musste sie beten, dass sie es in einem Stück zurückbekam. Dennochkonnte sie sich nicht überwinden, es Carmine zu erzählen, obwohl sie wusste, dass er nicht lachen würde.
Sie aßen zusammen in seiner Wohnung Pizza, und er wirkte auf sie so angespannt wie eine Katze, in deren Revier sich ein Hund breitgemacht hatte. Nicht, dass er schroff gewesen wäre, nur eben unruhig.
Nun, sie war selbst nervös und reizbar und platzte direkt mit ihren Neuigkeiten heraus. »Kurt Schiller hat heute versucht, sich umzubringen.«
»Und das sagt mir keiner?«, wollte Carmine wissen.
»Ich bin sicher, der Professor macht das morgen«, erwiderte sie und wischte sich mit leicht zitternden Fingern Tomatensauce vom Kinn. »Es ist erst kurz, bevor ich gegangen bin, passiert.«
»Scheiße! Wie?«
»Er ist Arzt, Carmine. Er hat sich einen Cocktail aus Morphium, Phenothiazin und Seconal gemixt, um Herz- und Atemstillstand auszulösen, dazu etwas Stemetil, um ganz sicherzugehen, dass er sich nicht übergibt.«
»Sie meinen, der Mann ist
tot
?«
»Nein. Maurice Finch hat ihn gefunden, kurz nachdem er alles genommen hatte, und hat ihn so lange am Leben erhalten, bis sie ihn in die Notaufnahme des Holloman Hospital gebracht hatten. Eine Menge Gegenmittel und eine Magenspülung später war das Schlimmste vorbei. Der arme Maurice war am Boden zerstört und gibt sich die Schuld.« Sie legte ihr angebissenes Stück Pizza weg. »Darüber zu reden raubt einem den Appetit.«
»Ich bin das gewöhnt«, sagte er und nahm sich noch ein Stück. »Ist Schiller das einzige Opfer?«
»Nein, nur das dramatischste. Obwohl ich vermute, dass er nach seiner Rückkehr, wenn er sich erholt hat, von denen, die ihm das Leben zu Hölle gemacht haben, in Ruhe gelassen wird.Keine weiteren Hakenkreuze auf seinen Ratten – das fand ich so ekelhaft kleinkariert! Emotionen können so – oh, so schrecklich destruktiv sein!«
»Sicher. Emotionen kommen dem gesunden Menschenverstand in die Quere.«
»Ist dieser Killer emotional?«
»Er ist so kalt wie das Weltall und so heiß wie das Zentrum der Sonne«, antwortete Carmine. »Er ist ein Kessel voller Emotionen, von denen er meint, er hätte sie unter Kontrolle.«
»Und Sie glauben nicht, dass er sie unter Kontrolle hat?«
»Nein, sie kontrollieren ihn. Was ihn zu so einem guten Mörder macht, ist das Gleichgewicht zwischen Weltall und Zentrum der Sonne.« Er nahm die Reste der Pizza von ihrem Teller und ersetzte sie durch ein frisches Stück. »Hier, das ist wärmer.«
Sie probierte, aber bekam nichts runter. Carmine reichte ihr einen gefüllten Cognacschwenker und blickte finster drein. »Meine Mutter würde sagen: Grappa, aber Cognac ist viel besser. Trinken Sie, Desdemona. Und dann erzählen Sie mir von den anderen Opfern im Hug.«
Ihr Körper wurde von Hitze durchströmt, gefolgt von einem wunderbaren Wohlbefinden. »Der Professor«, sagte sie. »Alle glauben, er sei am Rande eines Nervenzusammenbruches. Er gibt Anweisungen heraus und vergisst sie dann wieder, widerruft Dinge, die er nicht sollte, und lässt Tamara Vilich ungestraft mit Mord davonkommen
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