Ein kalter Strom
sind einfache Kreuzknoten, für die man kein spezielles Wissen braucht. Aber der abweichende Knoten ist ein Slipstek, ein relativ seltener Schifferknoten.
Es ist bemerkenswert, dass alle Städte, in denen die Morde verübt wurden, an wichtigen Wasserwegen liegen. Heidelberg und Köln sind an großen, schiffbaren, für den Frachtverkehr genutzten Flüssen, dem Neckar und dem Rhein. Obwohl Leiden keinen Industriehafen mehr hat, gibt es ein zentral gelegenes, ausgedehntes Kanalnetz im Zentrum, und in der Nähe kommen mehrere wichtige Routen in Rotterdam zusammen. Aufgrund der früheren Schlussfolgerung, dass unser Täter sich problemlos innerhalb von Europa bewegt, und aufgrund der Tatsache, dass er einen Knoten verwendet, den die meisten Laien nicht kennen würden, wage ich folgende Vermutung: Es ist gut möglich, dass der Mörder ein gewerblicher Schiffer ist, der vielleicht zu der Mannschaft eines Lastkahns gehört. Natürlich könnte er auch einfach jemand mit guten Kenntnissen über Schiffe und Seefahrt sein, der in einem anderen Bereich arbeitet, aber ich glaube, die Faktorenkombination deutet mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auf einen Schiffer hin.
Vorschlag: Ich habe keine Ahnung, welche Unterlagen es zur Binnenschifffahrt gibt, aber wenn es möglich ist, würde ich empfehlen, festzustellen, ob bestimmte Schiffe sich an den in Frage kommenden Tagen in der weiteren Umgebung all dieser Tatorte befanden.
Tony gönnte sich einen Moment der Zufriedenheit. Er hatte in dieser Sache ein gutes Gefühl. Endlich, fand er, ging es vorwärts. Er wusste nicht, wie weit Petra und ihre holländische Freundin mit ihren begrenzten Mitteln den Fall voranbringen konnten. Aber wenigstens war er zuversichtlich, ihnen die richtige Richtung weisen zu können. Er warf einen Blick auf seine Uhr. Er hatte keine Ahnung, wann Petra zurück sein würde, und war müde und schmutzig von der Reise. So beschloss er, sich auf den Rückweg zu seiner eigenen Wohnung zu machen, und hinterließ ihr eine Nachricht, sie solle ihn bei Gelegenheit anrufen. Wenn sie Glück hatten, würden sie sich später zusammensetzen und besprechen können, was er bis jetzt gesammelt hatte. Und wenn die Götter wirklich gnädig waren und der Europol-Plan Früchte getragen hatte, würde sie auch für ihn Neuigkeiten haben.
Marijke betrachtete stirnrunzelnd die Notizen, die sie gemacht hatte. Hartmut Karpf von der Kripo in Köln hatte sie gleich angerufen und ihr über Europol auch seine ursprünglichen Notizen gesandt, weil es Unterschiede zwischen den beiden Fällen gab, über die er mit ihr reden wollte. »Ich habe mit meinen Kollegen in Heidelberg und Bremen gesprochen und hege keine Zweifel, dass wir es mit demselben Mann zu tun haben«, hatte er gesagt. »Aber ich dachte, Sie sollten wissen, dass es sich hier meiner Meinung nach um eine beachtliche Eskalation handelt.«
»Ich danke Ihnen für den Anruf«, hatte sie gesagt. »Also, was genau liegt Ihnen vor?«
»Wollen Sie die ganze Geschichte hören?«
»Alles, was Sie haben, von Anfang an.«
Es raschelte im Hörer, dann begann er zu sprechen. »Okay. Dr. Marie-Thérèse Calvet, sechsundvierzig, Dozentin für experimentelle Psychologie an der Universität Köln. Sie kam heute früh nicht zur Arbeit, und ihre Sekretärin konnte sie zu Hause nicht erreichen. Da sie ein Seminar geben sollte, wurde einer ihrer Kollegen gebeten, für sie einzuspringen. Aber die Dias, die zu dem Text gehörten, waren in Dr. Calvets Büro eingeschlossen. So borgte sich der Kollege den Universalschlüssel vom Hausmeister und ging in ihr Büro. Dr. Calvet lag nackt und tot auf ihrem Schreibtisch festgebunden.« Karpf räusperte sich. »Ihr Kollege hat uns nicht gerade weitergeholfen. Er übergab sich direkt am Tatort.«
»Wenn es Sie beruhigt, das hat wahrscheinlich keinen Unterschied gemacht. Dieser Mörder hinterlässt uns nichts für die Spurensicherung«, tröstete ihn Marijke.
»Das habe ich gehört. Unsere Spurensicherungsgruppe war sehr verärgert. Um dies festzuhalten, Dr. Calvets Leiche lag jedenfalls mit ausgestreckten Armen und Beinen an die Tischbeine gebunden – übrigens mit vier normalen Kreuzknoten – rücklings auf ihren Kleidern, die er nach dem Festbinden weggeschnitten hatte. Und es war offensichtlich, dass das Schamhaar zusammen mit der Haut abgetrennt wurde.«
»Bis jetzt alles genau nach dem Muster«, sagte Marijke.
»Außer der Tatsache natürlich, dass er hier zum ersten Mal jemanden in der
Weitere Kostenlose Bücher