Ein kalter Strom
gebunden hat. Das Kind versucht wegzurennen, wird aber zurückgerissen und fällt hin, bevor es zehn Meter oder so gegangen ist. Die Frau führt sie etwa zehn Minuten im Hof umher wie einen Hund an der Leine, dann hebt sie sie hoch und trägt sie wieder rein.«
»Bist du sicher, dass es Tanja war?«
Der Hai nickte so heftig, als habe er Schüttellähmung. »Ich sag dir doch, Petra, es gibt keinen Zweifel. Ich hatte ihr Foto dabei, nur um sicherzugehen. Es war Tanja. Ich habe mich nicht getäuscht.« Er grinste diensteifrig.
Petra schüttelte den Kopf, sie konnte fast nicht glauben, dass dieser Knochen, den sie ihm zugeworfen hatte, damit er sie in Ruhe ließ, ihm so viel zu kauen gegeben hatte. Sosehr sie inzwischen Carol Jordan und ihre gute Arbeit auch respektierte, wollte sie immer noch Radecki lieber selbst fassen. Und es sah aus, als könnte sie letztlich doch so eingreifen, dass sie ihn bekam. »Das ist fabelhaft, Hai.«
»Was machen wir also jetzt?«, wollte er wissen.
»Wir gehen zu Plesch und legen fest, wie wir die Kleine befreien und Marlene so versorgen können, dass Krasic und Radecki nicht an sie rankommen. Gut gemacht, Kleiner. Ich bin beeindruckt.«
Nur das hatte er hören wollen. Das breite Grinsen auf seinem Gesicht reichte von Ohr zu Ohr. »Es war ja deine Idee, Petra.«
»Vielleicht. Aber es war deine harte Arbeit, die es gebracht hat. Komm, Hai. Lass uns die Plesch beglücken.«
Als Tadeusz ihr gesagt hatte, er hätte ein kleines Büro, war das kein Scherz gewesen, dachte Carol. Es war kaum genug Platz für den Tisch und vier Sessel in dem Raum über der Spielhalle. Aber trotz des schmuddeligen Treppenhauses war das Büro selbst so stinkvornehm, wie sie nur hätte erwarten können. Es roch nach altem Zigarrenrauch, aber die Einrichtung bestand aus teuren Ledersesseln und einem Massivholztisch aus gebeizter Eiche. Eine Flasche Cognac und Jack Daniels standen auf einem kleinen Beistelltisch neben vier Kristallgläsern, und die vier Aschenbecher waren aus handgeschliffenem Glas. Die Wände und die Decke waren mit schallschluckenden Platten isoliert, so dass nichts vom Lärm des Untergeschosses in das stille Refugium heraufdrang.
»Sehr edel«, sagte Carol und drehte an einem der Ledersessel. »Ich sehe, du beeindruckst deine Geschäftspartner gern.«
Tadeusz zuckte die Achseln. »Warum soll man es ungemütlich haben?« Er sah auf seine Uhr. »Mach es dir bequem. Darko wird jeden Moment hier sein. Möchtest du einen Drink?«
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist ein bisschen früh für mich, um zum Cognac zu greifen.« Sie setzte sich auf den Sessel, der der Tür gegenüberstand.
Tadeusz zog die Augenbrauen hoch. »Der Platz für den Bodyguard, hm?«
»Bitte?«
»Bodyguards sitzen immer da, wo sie die Tür sehen können.«
Carol lachte. »Und Frauen über dreißig sitzen immer mit dem Rücken zum Fenster, Tadzio.«
»Das braucht dich doch nicht zu kümmern, Caroline.«
Bevor sie auf sein Kompliment antworten konnte, ging die Tür auf.
Donnerwetter, das ist ja ein wandelnder Panzerschrank,
dachte Carol.
Krasic stand auf der Schwelle, seine Schultern waren fast so breit wie die Türöffnung. Seine Augen schauten finster unter den Brauen der gerunzelten Stirn hervor, als er den Anblick auf sich wirken ließ.
Dreh besser mal den Charme auf
, sagte sich Carol und stand rasch auf. Sie ging mit ausgestreckter Hand auf ihn zu und verbarg mit einem Lächeln ihr Unbehagen, das die körperliche Anwesenheit dieses Mannes bei ihr auslöste. »Sie müssen Darko sein«, sagte sie freundlich. »Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennen zu lernen.«
Er nahm ihre Hand mit einem überraschend sanften Händedruck. »Mein Vergnügen«, sagte er auf Englisch mit starkem Akzent, aber sein grübelnder, starrer Blick strafte seine Worte Lügen. Er sah über ihre Schulter weg und sagte schnell etwas auf Deutsch.
Tadeusz lachte schnaubend. »Er meint, du seist genauso schön, wie ich gesagt habe. Darko, du kannst dich ja wunderbar einschmeicheln bei den Ladys. Komm, setz dich und trink was.«
Krasic zog einen Sessel für Carol heraus, goss sich einen Jack Daniels ein, setzte sich ihr gegenüber und hielt den Blick auf ihr Gesicht geheftet. »Sie sollen also das Problem in England lösen?«, sagte er herausfordernd.
»Ich glaube, wir können uns gegenseitig helfen, ja.«
»Caroline braucht Arbeiter, und sie hat eine Quelle für die Papiere, die viel besser ist als das, was Colin Osborne je geboten hat. Jetzt
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