Ein kalter Strom
sagte er, und in seiner Stimme schwang Doppeldeutigkeit mit.
Sie lachte leise, als sie sich aus seiner Umarmung löste. »Ich auch. Aber vergiss nicht, ich halte Geschäfte und Vergnügen auseinander. Zuerst erledigen wir das Geschäftliche. Dann … wer weiß?« Sie löste sich von ihm und lief den Pfad zum Auto hinunter.
Er holte sie auf halber Strecke am Ufer ein, schlang den Arm um ihre Taille und zog sie zu sich heran. »Okay, Geschäft vor Vergnügen«, sagte er. »Fahren wir doch nach Berlin zurück und machen Pläne. Ich werde Darko anrufen, er soll uns treffen. Wir haben ein kleines, ruhiges Büro in Kreuzberg, wo wir uns hinsetzen können, um genaue Pläne zu machen und über Geld zu reden. Dann können wir uns heute Abend entspannen.«
Oh Mist
, dachte Carol, dies ging alles viel schneller, als sie eigentlich wollte. Wie sollte sie aus dieser Sache wieder herauskommen, ohne Schaden zu nehmen?
Kapitel 31
P etra sah dankbar von ihrem Computer auf, als der Hai ins Büro gestürmt kam. In ihrem Kopf hämmerte es, und ihre Augen schmerzten und waren rot von zu vielen Stunden, die sie vor dem Bildschirm gehockt und darauf gestarrt hatte. Eine einzige Pause hatte sie gemacht, um die Verfügung für Tony in die Wege zu leiten. Nachdem sie bis spät in die Nacht die Unterlagen zu dem Mord gelesen und sich dann am Morgen Carols Berichte einverleibt und mit den Akten verglichen hatte, die es zu Radecki gab, war sie überzeugt, dass sich ein Besuch beim Augenarzt nicht länger würde aufschieben lassen. Das war’s dann also. Schluss mit der Jugendlichkeit. Zuerst würde sie eine Lesebrille brauchen, dann Kontaktlinsen und wahrscheinlich bald ein künstliches Hüftgelenk. Es war so grausam, darüber nachzudenken, dass selbst der Hai eine willkommene Ablenkung darstellte.
»Hast du vielleicht Kodein?«, fragte sie, bevor er den Mund aufmachen konnte.
»Ich hab was Besseres als Kodein«, sagte er. »Ich weiß, wo Marlenes Kleine ist.« Er stand da und grinste wie ein zu groß geratenes Kind, das wusste, dass es jetzt etwas getan hatte, womit es seiner Mutter imponierte.
Petra fiel die Kinnlade herunter. »Du machst Witze«, sagte sie.
Der Hai wiegte sich förmlich auf den Ballen. »Überhaupt nicht, Petra. Ich sag dir, ich habe Tanja gefunden.«
»Mensch, Hai, das ist erstaunlich.«
»Es war ja deine Idee«, sagte er und verhaspelte sich fast. »Erinnerst du dich? Du hast mich doch losgeschickt, ich sollte mich um Krasics Kontakte kümmern? Na ja, ich habe letzten Endes seinen Cousin gefunden, der hat eine Schweinezucht bei Oranienburg, und dessen Sohn Rado ist offenbar einer von Krasics Handlangern. Also bin ich hingegangen und hab mir das mal angesehen. Und siehe da, sie haben das Mädchen!«
»Du bist doch nicht in die Nähe des Hauses gegangen, oder?« Petra war erschrocken. Eine so schlimme Belastung war er ja nun auch wieder nicht.
»Nein, natürlich nicht. Ich wollte gestern Abend da rausfahren, aber dann dachte ich, es wäre vernünftiger, bis zum Morgen zu warten. Tageslicht, weißt du? Jedenfalls bin ich vor dem Hellwerden aufgestanden, habe meine ältesten Klamotten angezogen und bin über die Felder gegangen. Ich fand eine Stelle, von der aus ich die Rückseite des Hauses sehen konnte, kroch unter eine Hecke und habe es beobachtet. Oh Gott, es war furchtbar. Kalt und überall Schlamm, und ich hatte keine Ahnung, wie diese Schweine stinken. Es kam mir vor, als wüssten die Mistkerle immer, wo ich bin, um mir direkt ins Gesicht zu furzen.«
»Na, lass mal die Schweine, Hai. Was hast du gesehen?«
»Na ja, es ist ein schöner Tag, stimmt’s? Richtig schönes Frühlingswetter. Jedenfalls – gegen sieben kommt so ein Typ mittleren Alters, Statur wie ’n Schrank, auf einem kleinen Rad heraus und füttert die Schweine. Eine Weile tut sich kaum was, dann öffnet jemand die hintere Tür, und eine Frau kommt raus. Sieht aus, als ginge sie auf die fünfzig zu. Sie geht auf dem Hof umher und sieht sich genau um. An der einen Hofseite läuft ein Weg entlang, und sie streckt den Kopf über den Zaun, als wolle sie nachsehen, ob die Luft rein ist. Dann geht sie ins Haus zurück und kommt mit einem kleinen Mädchen raus. Ich hatte mein Fernglas dabei und konnte gleich sehen, dass es Marlenes Kleine war. Ich konnte kaum glauben, dass ich so ein Glück hatte. Jedenfalls – die Frau hält Tanja an der Hand, dann lässt sie sie gehen, und ich sehe, dass sie einen Strick um die Taille des kleinen Mädchens
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