Ein kalter Strom
Recht hatte, dass das Schiff des Mörders vom Hochwasser aufgehalten wurde, dann konnte es nicht allzu schwer sein, die Kölner Gegend nach Manns Schiff abzusuchen.
Sie ging wieder hinein und war schon dabei, sich eine E-Mail auszudenken.
Krasic sah auf den rundlichen jungen Mann hinunter, der vor seiner Tastatur hockte wie ein Miniatur-Jabba. »Was meinst du? Kannst du für mich alles über diesen Dr. Anthony Hill herausfinden?«
Hansi der Hacker grinste. »Das’n Klacks. Die offiziellen Sachen hab ich innerhalb von Minuten, aber das Private wie Adresse, Einzelheiten zum Bankkonto – das wird ’n bisschen länger dauern. Überlass es mir, ich beschaff dir alles, was es da draußen gibt, das ist eine Angelegenheit von Stunden.«
»Gut. Oh, und wenn du grade dabei bist …« Er las die Adresse vor, zu der Tony am Morgen mit dem Taxi gefahren war. »Ich will wissen, wer dort wohnt. Und was derjenige treibt. Okay?«
»Und wann werde ich bezahlt?«
Krasic tätschelte ihm die fettigen Haare. »Wenn ich die Ergebnisse sehe.«
»Ich hab dich nie hängen lassen«, sagte der Hacker und fuhr schon mit dem Mauszeiger über den Bildschirm.
»Jetzt wäre keine gute Gelegenheit, damit anzufangen.« Bevor Krasic noch etwas sagen konnte, klingelte sein Telefon. Er ging auf die andere Seite des hohen Zimmers der Wohnung in Prenzlauer Berg, wo neben denen, die gern auf Subkultur machten, auch solche rumliefen wie sein Mann in der Ecke, die wirklich dazugehörten. »Hallo?«, knurrte er.
»Darko, hier Arjouni.« Der starke türkische Akzent war unverkennbar, dachte Krasic und wünschte, sein neuer Mittelsmann würde daran denken, am Telefon keine Namen zu nennen.
»Was kann ich für dich tun?«
»Wir sind knapp dran. Die fälligen Lieferungen sind nicht gekommen.«
»Ich weiß. Hast du nicht genug, dass du jetzt noch klarkommst?«
»Es ist fast aus. Reicht unmöglich übers Wochenende.«
»Scheiße«, murmelte Krasic. »Okay, überlass das mir.« Er hängte auf und rief Tadeusz an. »Boss? Wir haben ein Nachschubproblem. Jetzt wo der Fluss gesperrt ist, ist eine Ladung noch unterwegs.«
»Ist es weit von hier?«
»Köln. Ich kann in vier, fünf Stunden dort sein«, sagte Krasic.
»Ich komme mit.«
»Ist nicht nötig. Ich schaff das schon.«
»Ich weiß, dass du es schaffst, aber ich würde gerne mitkommen. Die letzten beiden Tage haben mir Lust darauf gemacht, zu sehen, was in meinem Unternehmen so läuft.«
»Ich dachte, du hättest heute Abend ein Fernseh-Interview?«, warf Krasic ein.
»Das ist erst um zehn. So wie du fährst, werden wir jede Menge Zeit haben, hinzukommen und wieder zurück.«
»Was ist mit deiner neuen Geschäftspartnerin? Solltest du sie nicht heute treffen?«, fragte Krasic und strengte sich an, nicht spöttisch zu klingen.
»Sie könnte auch mitkommen. Sie interessiert sich dafür, wie alles funktioniert.«
»Komm nicht in Frage. Das ist zu nah dran. Es ihr zu erzählen ist eine Sache, aber es ihr vorzuführen ist dann doch noch etwas anders. Du kommst mit, wenn du unbedingt musst. Aber sie bleibt weg.«
Er hörte Tadeusz seufzen. »Na gut, hol mich in einer halben Stunde ab, okay?«
Krasic steckte das Telefon in seine Tasche zurück und ging auf die Tür zu. »Gib mir Bescheid, wenn du das hast, was ich brauche. Ruf mich an, alles klar?«
»In Ordnung, Darko.« Der Hacker sah vom Bildschirm auf. »Ich arbeite unheimlich gern für dich. Es ist immer wieder was Neues.«
Tony klickte wieder auf seine Mailbox. Er hatte alle fünfzehn Minuten oder so nach E-Mails gesehen und versuchte sich einzureden, dass er die Ermittlung vorantrieb. In Wirklichkeit wollte er von Carol hören. Aber es war immer noch nichts von ihr angekommen. Er fragte sich, womit sie beschäftigt war. Sie hatte nichts über Pläne für den Tag gesagt, außer dass sie darauf wartete, von Radecki und seinen Vorbereitungen für ihre Reise nach Rotterdam zu hören. Na ja, Marijke hatte sich wenigstens bei ihm gemeldet.
Hi, Tony,
ich habe sehr interessante Neuigkeiten. Es bringt nichts, eine Kopie an Petra zu schicken, weil sie heute Überwachungsdienst hat, und Carol hat natürlich mit ihrer Aktion zu tun. Aber ich wollte mit dir über diese Sache reden.
Wir haben eine Verwarnung wegen Geschwindigkeitsübertretung, die am Tag von de Groots Ermordung auf einen Wilhelm Albert Mann ausgestellt wurde, kurz nach neun Uhr abends. Er wurde von einer Kamera geblitzt, bekam die Verwarnung also nicht von einem
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