Ein kalter Strom
»Ja?«
»Vertrauen Sie mir, es ist gut so.«
Der Blick, den sie Plesch zuwarf, machte klar, dass sie ihr kein Wort glaubte. Aber sie sagte nur: »Ich nehme das zur Kenntnis.« Dann war sie fort.
Der Hai fand sie fünf Minuten später im strömenden Regen auf dem Parkplatz, einen halben Backstein in der Hand, mit dem sie an die Wand schlug. Er war klug genug, nichts zu sagen, sondern einfach zu warten, bis sie so erschöpft war, dass sie ihn zu Boden fallen ließ. Sie standen da und sahen einander an, Regentropfen liefen ihnen übers Gesicht. »Geht schon in Ordnung, Hai«, sagte sie.
»Meinst du?«
»Wir werden dafür sorgen.« Sie legte einen Arm um seine Schultern, und sie gingen zusammen ins Polizeigebäude zurück.
Der Mercedes fegte rasant auf der Überholspur der Autobahn dahin, Krasic saß am Steuer. »Scheißwetter«, brummte er, während die Scheibenwischer mit dem Wasserschwall von einem Sattelschlepper kämpften. Die Landschaft war nur vom Regen schraffierter grüner Dunst.
»Wie meine Großmutter immer sagte, was man nicht ändern kann, muss man eben lernen auszuhalten«, sagte Tadeusz und sah von der Jagdzeitschrift auf, die er las.
»Klar. Aber ich wette, sie musste nie mitten im Regen in das verdammte Köln fahren, weil eine Ladung Heroin vom Hochwasser aufgehalten wurde«, knurrte Krasic.
»Also komm, Darko, es ist eben ’n bisschen unangenehm. Und betrachte es doch mal so: Die Polizei mag dieses Wetter genauso wenig wie wir. Das macht es für uns sicherer.«
Krasic brummte unverbindlich: »Ich hoffe, es ist besser, wenn wir nach Rotterdam hochfahren.«
»Sonst fliegen wir eben. Wir haben ja nichts Verdächtiges dabei.«
»Fliegen mag ich nicht, außer wenn es unbedingt nötig ist«, sagte Krasic. »Namen auf Passagierlisten, das sind Spuren, die sich weiterverfolgen lassen, das weißt du doch.«
»Und wie wär’s mit dem Zug? Das ist bequemer als im Auto.«
»Es ist zu öffentlich im Zug. Man kann sich nicht unterhalten. Zu viele neugierige alte Damen, die ihre Enkel besuchen wollen.«
»Mein Gott, du bist ja echt gut gelaunt heute. Was hast du denn?«
Krasic überlegte, ob er etwas über Caroline Jackson und Anthony Hill sagen sollte. Aber er fand, es wäre besser, zu warten, bis er mehr wusste. Es war schwer, sich eine harmlose Erklärung vorzustellen für das, was er in der vorigen Nacht gesehen hatte. Aber da sein Boss in diese mysteriöse Frau so verknallt war, wollte er so viel Munition wie möglich haben, bevor er auch nur ein Wort gegen sie sagte. »Ich mag einfach den Regen nicht«, brummte er.
Sie fuhren schweigend weiter, und Tadeusz kehrte zu seiner Zeitschrift zurück. Als sie drei Stunden der Fahrt und mehr als zwei Drittel der Entfernung hinter sich hatten, klingelte Krasics Telefon. Er griff in seine Tasche und meldete sich, während sich Tadeusz darüber mokierte, dass er nicht die Freisprechanlage benutzte. »Hallo?«, sagte Krasic.
»Ich habe die Suche durchgeführt«, sagte die Person am anderen Ende, deren Stimme durch irgendeine elektronische Vorrichtung verzerrt und tiefer klang.
»Und?«
»Du musst dir das selbst ansehen. Ganz ausgeschlossen, das am Telefon zu besprechen.«
Krasic fand, das klang gar nicht gut. Er wusste, dass Hacker zur Gemeinde der Paranoia-Geplagten gehörten, aber das hieß nicht, dass sie immer Unrecht hatten. »Ich kann jetzt nicht kommen. Ich bin vierhundert Kilometer von Berlin entfernt.« Aus dem Augenwinkel sah er, dass Tadeusz interessiert zuhörte.
»Kannst du zu einem Internet-Café fahren?«
»Was?«
»Ein Internet-Café. Wo Computer mit Internetanschluss vermietet werden.«
»Ich weiß, was ein Internet-Café ist. Was soll mir das helfen?«
»Ich richte eine Adresse ein und schicke dir das Zeug. Bei Hotmail.com. Du gibst www.hotmail.com ein, dann deine Adresse. Ich richte sie mit deinem Vor- und Zunamen ein. Das Passwort ist die Straße, in der ich wohne. Okay? Kannst du dir das merken?«
»Natürlich kann ich mir das merken, verdammt noch mal – www.hotmail.com , dann mein Name und die Straße, wo du wohnst. Bist du sicher, dass das nicht gefährlich ist?«
»Es ist viel sicherer, als am Telefon darüber zu sprechen. Und ich an deiner Stelle würde nicht herumtrödeln. Du musst das sehen, und zwar schnell.« Der Anrufer hängte auf.
»Mist«, murmelte Krasic und warf das Telefon aufs Armaturenbrett. »Wo finde ich hier bloß ein Internet-Café?«
»Was ist los, Darko?«, fragte Tadeusz. »Wer war
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