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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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bei der normalen Arbeit auf dem Fluss leicht übersehen wurden. Es gab einige Bars und Cafés an den Kais und einen großen Schiffsausrüster, der Diesel zu günstigen Preisen anbot.
    Tony fand am Ende des Parkplatzes eine Lücke und saß kurze Zeit gedankenverloren da. »Du bist da draußen«, sagte er vor sich hin. »Ich weiß es. Heute treffen wir aufeinander, Geronimo. Und du wirst nicht ahnen, wer ich bin. Ich werde einer der neugierigen Touristen sein, die vor dem Essen noch eine Stunde herumtrödeln und dein Schiff bewundern. Ich habe nämlich eine Ahnung, dass es Bewunderung verdient. Du tötest mit so viel Präzision, dein Stil ist wahrscheinlich auch im Leben nicht nachlässig.«
    Er stieg aus und fing an, langsam auf dem Hafengelände umherzugehen. Die Frachtschiffe fand er bemerkenswert. Jedes war wieder anders, jedes sagte etwas über den Charakter seines Besitzers und der Mannschaft aus. Es gab makellos ordentliche Schiffe, an denen überall, wo sie nicht bei der Arbeit störten, Kästen mit Kräutern und Pflanzen hingen. Es gab schmuddelige alte Kohlenschlepper, deren Steuerhäuser rostige Kanten und abblätternde alte Farbe aufwiesen. Manche waren an den Fenstern mit adretten Spitzenstores und andere mit kunstvollen Volants und Rüschen geschmückt. Es gab leuchtend bunt lackierte Flächen neben solchen mit gefirnisstem Holz. Einige Schiffe hatten Fahrräder an der Reling festgebunden, während andere Autos mitführten, die irgendwie unpassend auf dem Achterdeck standen. Alles gab es in endlosen Variationen bis hin zu den Wimpeln und Fahnen, die schlapp in der feuchten Luft hingen.
    Tony schlenderte mit der Kamera um den Hals am Kai entlang und tat so, als mache er Fotos von den schönsten Exemplaren. Nachdem er erfolglos an etwa zwanzig Schleppkähnen und Rheinschiffen vorbeigegangen war, kam er um eine Ecke und wäre fast in einen schwarzen Golf gerannt. Gleich daneben lag ein prächtiges Schiff, auf dessen Holz der Bootslack glänzte. Am Heck las er in fließender Kursivschrift:
Wilhelmina Rosen, Hamburg
.
    Sein Herz klopfte wild, und er trat etwas zurück, um die ganze erhabene Schönheit des Schiffes auf sich wirken zu lassen. Dann schritt er die ganze Länge ab, wandte sich um und machte ein Foto. Schließlich ging er gemächlich zum Heck zurück und warf dabei bewundernde Blicke auf das Schiff. Als er auf der Höhe des Steuerhauses war, trat ein junger Mann mit dunklem Haar, das zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war, heraus auf das Deck. Unter dem weiten Pullover wirkte er breitschultrig, seine langen Beine steckten in engen Jeans, und er trug schwere Arbeitsstiefel. Körperlich war er auf jeden Fall stark genug, um der Mörder zu sein, dachte Tony. Als er herauskam, setzte er sich eine Baseballmütze auf, die seine Augen verdeckte.
    »Sie haben ein sehr schönes Schiff«, rief Tony zu ihm hinauf.
    Der junge Mann nickte und sagte lakonisch: »Ja.« Er ging um das Steuerhaus herum zum Fallreep, kaum zwei Meter von der Stelle entfernt, wo Tony stand.
    »Man sieht nicht oft ältere Schiffe, die in so gutem Zustand sind«, fuhr Tony fort, als der Mann an Land kam.
    »Es ist harte Arbeit.« Der Mann ging weiter, auf das Auto zu.
    »Mir ist der ziemlich ungewöhnliche Wimpel aufgefallen, den Sie da haben«, versuchte Tony verzweifelt den mutmaßlichen Killer in ein Gespräch zu verwickeln.
    Der Mann runzelte die Stirn. »Ich spreche nicht gut Englisch.«
    Tony zeigte auf den dreieckigen Wimpel, der am Heck von einer kurzen Fahnenstange hing. Er war schwarz mit einem weißen Rand. In der Mitte war eine zierliche Trauerweide aufgestickt. »Die Fahne«, sagte er. »Ich habe noch nie so eine gesehen.«
    Der junge Mann nickte, und über seine nichts sagenden Gesichtszüge huschte ein verstehendes Lächeln. »Das steht für Tod«, sagte er nüchtern. Tony lief es eiskalt über den Rücken. »Mein Großvater war vor mir der Schiffer. Aber er ist seit zwei Jahren tot.« Er zeigte auf den Wimpel. »Wir haben die Fahne zur Erinnerung an ihn.«
    »Das tut mir Leid«, sagte Tony. »Sie sind also jetzt der Besitzer des Schiffes?«
    Der junge Mann schloss das Auto auf, nahm einen Straßenatlas aus dem Fach an der Tür und ging wieder zum Schiff zurück. »Ja. Sie gehört mir.«
    »Es muss schwer für Sie sein, nicht arbeiten zu können wegen des Hochwassers.«
    Der junge Mann blieb auf dem Fallreep stehen und wandte sich zu Tony um. Er zuckte mit den Schultern. »Der Fluss gibt und nimmt. Man gewöhnt sich

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