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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Lokal und gute zwanzig Minuten von hier entfernt. Aber die Polizisten haben nur 13 Minuten gebraucht, um von Kamals Lokal hierher zu kommen. Du konntest es unmöglich rechtzeitig schaffen, selbst wenn dich jemand sofort, als sie Kamal festnahmen, angerufen hätte. Wenn du also sagst, es ist Dannis Pistole, haben wir damit die zweite Lücke in deiner Aussage.« Petra nahm die Schachtel Zigaretten und steckte sie wieder in die Tasche.
    »Im Moment«, fuhr sie fort, »lasse ich eine ganze Ermittlergruppe in Berlin Mitte mit allen reden, die dich und Danni kennen. Ich wette, dass wir nicht eine einzige Person finden, die euch als Paar sieht. Na ja, vielleicht finden wir einen oder zwei. Aber ich würde wetten, dass sie Darko Krasic genauso nahe stehen wie du.«
    Krasics Name löste bei Krebs eine Reaktion aus. Ihr Daumen schnippte so fest gegen die Spitze der Zigarette, dass der Filter abbrach. Einen kurzen Moment funkelten ihre Augen. Petra triumphierte heimlich. Der erste Riss hatte sich gezeigt. Jetzt brauchte sie das Stemmeisen.
    »Gib ihn auf, Marlene. Er hat dich den Wölfen vorgeworfen. Wenn du mit mir redest, kannst du dich retten. Du kannst dein Kind aufwachsen sehen.«
    Etwas an Marlene Krebs’ Blick änderte sich, und Petra war klar, dass sie ihr nicht mehr zuhörte. Es war, weil sie ihre Tochter erwähnt hatte.
Natürlich
, dachte sie,
Krasic hat die Kleine in seiner Gewalt
.
Das ist seine Garantie.
Sie würden also die Tochter finden müssen, bevor sie Krebs knacken konnte. Trotzdem war es einen letzten Versuch wert. »Du wirst bald dem Richter vorgeführt werden«, sagte sie. »Und du wirst in Untersuchungshaft bleiben müssen. Ganz egal, wie schlau dein Anwalt ist, egal, wie oft er das Argument bringt, dass du keine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellst, sie werden dich nicht auf Kaution rauslassen. Weil ich nämlich dem Staatsanwalt sagen werde, dass wir dich in unseren Akten als eine Person führen, die Verbindung zum organisierten Verbrechen hat. Du wirst zu den normalen Gefangenen gehören. Hast du eine Ahnung, wie leicht es für mich ist, es so einzufädeln, dass es aussieht, als würdest du mit uns zusammenarbeiten? Und hast du eine Ahnung, wie bald Darko Krasic dafür sorgen wird, dass du mit überhaupt niemandem mehr sprichst? Ich meine, überleg doch mal, Marlene, wie schnell er die Falle für Kamal gestellt hatte.« Petra stand auf. »Denk darüber nach.« Sie ging zur Tür und klopfte, um anzuzeigen, dass das Gespräch zu Ende war.
    Als der Wachposten aufmachte, sah sie über die Schulter zurück. Marlene Krebs beugte sich vor, das Haar hing ihr lose ums Gesicht. »Ich werde wieder auf dich zukommen, Marlene.«
    Marlene Krebs sah auf und warf Petra einen hasserfüllten Blick zu. »Verpiss dich«, sagte sie.
    Während Petra zur Wache zurückging, um ihre Dienstwaffe abzuholen, dachte sie triumphierend:
Das verstehe ich als Zustimmung
. Endlich hatte sie eine kleine Flamme unter Darko Krasic entzündet, die vielleicht letzten Endes Tadeusz Radecki ausräuchern würde.
     
    Soho hatte Carol schon immer gefallen. Sie hatte beobachtet, wie es in den neunziger Jahren vom Mittelpunkt der heruntergekommenen Pornoindustrie zu der schicken Gegend der Schwulencafés wurde, aber immer hatte sie es faszinierend gefunden. Chinatown auf Tuchfühlung mit den Theaterleuten, Lederschwule trafen auf Freier, die mit unstetem Blick an den Prostituierten vorbeistrichen, Mediengurus schlugen sich mit Möchtegerngangstern um ein Taxi. Obwohl sie sich in diesen engen, von Autos verstopften Straßen nie beruflich aufgehalten hatte, war sie doch oft hier gewesen, als sie in einem Club in der Beak Street verkehrte, den einer ihrer ältesten Freunde, der jetzt für Feuilletons schrieb, mit begründet hatte.
    Aber heute war alles anders. Sie sah die Welt durch eine andere Brille. Aus der Perspektive des Drogenkuriers war nichts mehr so wie zuvor. Jedes Gesicht auf der Straße bot Anlass zur Sorge. Jeder unübersichtliche Hauseingang konnte eine unbekannte Gefahr bedeuten. Die Old Compton Street entlangzugehen hieß, sich mit ausgefahrener Antenne auf Zehenspitzen durch eine Gefahrenzone zu bewegen, während jeder ihrer fünf Sinne vor Wachsamkeit bebte. Sie fragte sich, wie Kriminelle mit so viel Adrenalin fertig wurden. Nur ein Vormittag davon, und sie war bis tief im Inneren zittrig, ihr Magen verkrampft und ihre Haut verschwitzt. Schon der Versuch, ihr Tempo auf ein langsames Schlendern zu reduzieren, verlangte ihr

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