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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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dürstete.«
    Carol wartete. Sie wusste, es würde noch mehr kommen, viel mehr. Aber sie hatte nie einen Sinn darin gesehen, Fragen zu stellen, nur einfach um die eigene Stimme zu hören. Morgan lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Das ist natürlich nicht die ganze Geschichte. Unser Mann Tadzio merkte, dass es auf der illegalen Seite mehr Geld zu machen gab als auf der ehrlichen. Mit Hilfe seiner familiären Beziehungen fing er an, für die Kriegsherren im früheren, zerfallenen Jugoslawien Waffen zu schmuggeln. Er besaß Kontakte zur alten Sowjetunion, um das Kriegsmaterial liefern zu können, und etablierte sich als Mittelsmann. Auch damals behielt er eine reine Weste. Es funktionierte prima. Er machte einen Haufen Geld und legte sich eine rechte Hand zu, einen mörderischen kleinen Serben, der Darko Krasic heißt.
    Die Gewinne aus dem Waffenhandel investierten Tadzio und Darko im großen Stil in Erpressung von Schutzgeldern und fingen an, große Mengen von Drogen umzusetzen. Sie achteten immer darauf, dass sie weit genug von der Straße wegblieben, damit sie sich die Hände nicht schmutzig machten, aber doch nahe genug an der Action waren, um absahnen zu können. In den letzten paar Jahren lag der Löwenanteil des Handels mit harten Drogen in Deutschland in ihrer Hand, und außerdem finanzierten sie große internationale Geschäfte, einschließlich der Versorgung Großbritanniens mit Heroin. Sie haben sich halten können, weil Darko den Ruf hat, ein vollkommen skrupelloser Kerl zu sein. Versucht man ein falsches Spiel mit ihm zu spielen, ist man tot. Und wie das abläuft, ist nicht angenehm.«
    Morgan richtete sich auf und deutete an, Carol solle in den Unterlagen weiterblättern. Das nächste Foto zeigte einen Rangierbahnhof. Die Türen eines Containers standen offen, und man sah ein Dutzend Tote auf einem Haufen liegen. »Können Sie sich daran erinnern?«, fragte er.
    Carol nickte. »Acht irakische Kurden wurden in Felixstowe in einem Container gefunden. Das war letzten Sommer, oder?«
    »Stimmt. Es gab drüben überm Kanal beim Beladen der Fähre eine Verzögerung, und die armen Schweine wurden sozusagen bei lebendigem Leib gegrillt, während ihnen zugleich die Luft ausging. Sie fielen einer der letzten Unternehmungen Radeckis zum Opfer. Man kann sich fragen, was mehr zur Vergrößerung des menschlichen Leids beiträgt, seine Drogengeschäfte oder sein Handel mit Menschen. Aber es interessiert uns nicht, wie viele Süchtige auf sein Konto gehen, um die müssen sich unsere deutschen Kollegen kümmern. Uns ist es wichtig, seine Aktivitäten zu unterbinden, durch die er illegale Einwanderer ins Land bringt. Wie viele es sind, können wir nur schätzen.«
    Carol fing an, zum nächsten Bild umzublättern. »Warten Sie«, sagte Morgan mit einer Stimme, der man kaum widersprechen konnte. Sie ließ die Hand sinken. »Er ist also ein großer Fisch?«, fragte sie.
    »Einer der größten. Er hatte das Kapital, um von Anfang an ganz oben mitzuspielen, und er verfügte bereits über die Infrastruktur. Wenn man Bürokraten besticht und ungestraft Drogen transportieren darf, braucht es nicht mehr viel, dass sie auch Lkws mit menschlichem Strandgut übersehen. Er bringt sie von China herein, vom Nahen Osten, vom Balkan und aus Afghanistan. Wenn sie nur das Geld oder die Drogen haben, um ihre Reise zu bezahlen, bringt er sie hin, wohin sie wollen. Und die meisten wollen hierher.«
    »Und was geschieht mit ihnen, wenn sie hier ankommen? Steht er in Verbindung mit einem organisierten Netz? Oder lädt man sie einfach ab, und sie müssen selbst weitersehen?«
    Morgan lächelte. »Gute Frage. Wir glauben, es hängt davon ab, wie viel Geld sie auftreiben konnten. Für einen gewissen Preis bekommen sie Papiere und manche sogar Arbeit. Aber wenn sie nicht genug Geld haben, um dafür zu bezahlen, lädt man sie irgendwo ab, wo sowieso schon alles von Asylsuchenden überfüllt ist, und sie schließen sich den anderen an.«
    »Ich nehme an, es wäre naiv zu fragen, warum die deutsche Polizei Radecki nicht verhaftet hat?«
    »Aus dem üblichen Grund. Mangel an Beweisen. Wie ich schon sagte, er hält einen gewissen Abstand zum Geschäft auf der Straße. Und in den Videoläden lässt sich wunderbar ein beträchtlicher Anteil der Erträge waschen. So hat er ein anscheinend rechtmäßiges Einkommen für sein Leben in Saus und Braus. Das Dezernat für organisiertes Verbrechen in Berlin versucht

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