Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
nur erschrecken. Und er hat sich einen verteufelt blöden Tag dafür ausgesucht. Da hast du eben die Beherrschung verloren. Nach dem Wochenende, das du gehabt hast, ist das doch verständlich.
Und außerdem war das das erste Mal seit damals in Detroit, daß einer eine Schußwaffe auf dich gerichtet hat.
Ich erinnere mich, wie ich im Sprechzimmer eines Psychiaters sitze. Das Präsidium bestand darauf, daß ich dort hinging, nach der Schießerei. Ich hielt das für reine Zeitverschwendung. Bei vielem von dem, was er gesagt hat, habe ich gar nicht zugehört, aber an eine Sache konnte ich mich erinnern. Er sagte, ich würde immer diesen Superpräzisionsabzug im Kopf behalten. Die kleinste Kleinigkeit, und schon wäre ich wieder in diesem Raum und läge von drei Kugeln getroffen auf dem Boden. Ein lautes Geräusch, wie ein Gewehrschuß oder sogar die Fehlzündung eines Autos. Vielleicht auch ein bestimmter Geruch, sagte er.
Oder vielleicht der Anblick von Blut.
Die Mariner’s Tavern sah exakt so aus, wie man sie sich vorstellte. Sie hatte das Fischernetz mit den Muscheln und den Seesternen von der Decke hängen, und an der Wand hatte man eine alte Walfängerharpune befestigt. Sie lag an der Water Street, direkt am Locks Park, mit großen Fenstern an der Nordseite des Gebäudes. Im Sommer konnte man dasitzen und zugucken, wie jede Stunde ein bis zwei Frachtschiffe die Schleusen passierten und entweder sieben Meter gehoben oder gesenkt wurden, je nachdem, in welche Richtung sie fuhren. Jetzt, zu Anfang November, war die Saison für Frachter fast vorbei.
Ich wollte nur eben vorbeischauen und kurz mit dem Mann an der Bar sprechen, aber ich saß dann doch eine ganze Weile an einem Tisch, als einziger Gast im Lokal, und sah aus dem Fenster auf den St. Mary’s River und an seinem anderen Ufer auf Soo in Kanada. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einen Drink am Vormittag zu mir genommen hatte, aber der Tag heute brauchte einfach einen.
Ich brachte einen kleinen Toast auf mich selbst aus. Auf deine glorreiche Entscheidung, Privatdetektiv zu werden.
Lane Uttley war ich im letzten Sommer eines Abends im Glasgow Inn begegnet. Er erzählte mir, Edwin sei einer seiner Klienten, und Edwin habe ihm alles über mich erzählt, daß ich Polizist in Detroit gewesen sei, sogar die Geschichte von der Schießerei.
»Ein Mann, der drei Kugeln so wegsteckt, muß schon ein verdammt harter Bursche sein«, meinte er. »Edwin sagt, eine der Kugeln hätten Sie noch in der Brust. Lösen Sie damit manchmal den Metalldetektor auf dem Flughafen aus?«
»Das passiert«, sagte ich.
»Und was sagen die, wenn Sie ihnen dann von der Kugel erzählen?«
»Normalerweise sagen sie nur ›Oh‹.«
»Ha«, sagte er. »Das kann ich mir denken. Jedenfalls, Mr. McKnight, möchte ich nicht Ihre Zeit vergeuden. Der Grund, warum ich hier bin, ist, daß ich ein Riesenproblem habe, und ich denke, daß Sie mir vielleicht helfen können. Ich habe da diesen Privatdetektiv, der für mich arbeitet. Er heißt Leon Prudell, vielleicht kennen Sie ihn.«
»Ich glaube, ich habe ihn schon mal gesehen.«
»Nun gut, auf die Gefahr hin, mich unfreundlich zu äußern, muß ich schon sagen, daß die Sache mit Mr. Prudell nicht optimal läuft. Ich nehme an, Sie wissen, was ein Privatdetektiv so tut.«
»Meist sammelt er Informationen, denke ich mir. Befragungen, Überwachungsjobs.«
»Genau«, sagte er. »Es ist äußerst wichtig, daß man da jemanden hat, der intelligent und zuverlässig ist, wie Sie sich denken können. Ich habe durchaus einiges als Strafverteidiger geleistet. Und ich habe eine Reihe langjähriger Klienten wie Edwin, wissen Sie, mit Testamenten, Immobilien und dergleichen. Aber viele meiner Fälle haben mit Haftpflicht zu tun, Unfällen, ärztlichen Kunstfehlern, solche Sachen, wissen Sie. Und da brauche ich wirklich einen guten Mann für Informationen.«
»Und was hat das mit mir zu tun?« fragte ich. »Ich bin kein Privatdetektiv.«
»Nein«, sagte er, »aber Sie könnten einer sein. Haben Sie schon jemals daran gedacht?«
»Nicht daß ich wüßte.«
»Die Gesetzgebung ist, was Privatdetektive betrifft, in diesem Staat sehr locker. Man braucht lediglich drei Jahre als Polizeibeamter und eine Kaution von fünftausend Dollar. Sie waren doch acht Jahre lang Polizeibeamter, nicht wahr? Makellose Akte?«
»Fragen Sie mich das«, sagte ich, »oder haben Sie mich bereits überprüft?«
»Das müssen Sie mir schon
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