Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
um rauszufinden, ob er es wirklich ist«, erklärte ich. Obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, wieder mit ihm in einem Raum zu sitzen. Nicht einmal mit drahtverstärktem Sicherheitsglas zwischen uns.
»Ich kann es versuchen«, versprach er.
»Vielen Dank«, sagte ich. »Verbringen Sie die Nacht wieder bei den Fultons?«
»Mrs. Fulton wünscht, daß jemand da ist. Solange sie sich weigern wegzugehen, denke ich, daß ich bei ihnen bleibe.«
»Sie tun ein gutes Werk«, meinte ich.
Er lachte. »Warten Sie da lieber mal, bis ich meine Rechnung schicke.«
Und wieder kam die Nacht und mit ihr eine kleine Portion von meiner Angst. Ich ertappte mich dabei, wie ich an die Pillen hinten tief in meinem Medizinschrank dachte. Aber ich konnte mir nicht leisten, sie zu nehmen. Ich mußte fit sein.
Derselbe Polizist wachte die ganze Nacht an derselben Stelle. Er hieß Dave. Zu Hause warteten eine Frau und zwei Kinder auf ihn. Er tat mir leid, wie er so die Nacht im Auto sitzend verbringen mußte. Ich versorgte ihn diesmal mit Kaffee und belegten Broten. Es war das mindeste, was ich tun konnte.
Uttley verbrachte die Nacht bei den Fultons auf der Couch. Ich verbrachte die Nacht, indem ich auf dem Bett lag und alle fünf Minuten nach dem Telefon sah. Ich stand auch mehrmals auf und sah nach draußen.
Er rief nicht an. Nicht einmal, um meine Stimme zu hören. Nicht einmal, damit ich das Schweigen am anderen Ende hören konnte. Die Nacht verging ohne jedes Geräusch. Sogar der Wind blieb ruhig.
Am nächsten Tag hatte ich keinen Grund, Chief Maven aufzusuchen. Das ließ mir die Wahl. Entweder pflückte ich ein paar Gänseblümchen und besuchte ihn einfach so in seinem Büro, oder ich gab mir heute frei. Es war eine schwierige Wahl, aber schließlich blieb ich zu Hause.
Ich machte Feuerholz klein und brachte es zu den anderen Hütten. Bei der ersten Fahrt hielt ich hinter der Kurve an, bloß um zu sehen, wo Dave seine Nächte verbrachte. Er hatte sich wohl eine dichte Kieferngruppe ausgesucht. Von dort aus konnte man meine Haustür gerade noch sehen.
Ich kehrte zu meinem Holzstapel zurück und machte die letzte Wagenladung fertig. Es tat gut, die Axt zu schwingen, aber meine Sorgen vergaß ich darüber nicht. Aus dem Augenwinkel sah ich einmal etwas aufblitzen, das wie blondes Haar aussah. Es erwies sich als ein Reh, das durchs Dickicht brach. Ich mußte mich eine volle Minute lang mit beiden Händen auf den Hauklotz stützen, bevor ich mich wieder bewegen konnte.
Ich rief Uttley im Büro an. »Sie klingen sehr niedergeschlagen«, meinte er.
»Etwas mitgenommen klingen Sie selbst aber auch«, sagte ich. »Ich mußte gerade daran denken, ob Sie etwas vom Gefängnis gehört haben.«
»Ich habe gerade mit ihnen gesprochen … Der Mann am Telefon wollte selbst nachsehen. Er hat noch nicht zurückgerufen.«
»Haben Sie ihnen erzählt, daß ich ihn besuchen will?«
»Alex«, sagte er. »Dieser Mann hat Sie niedergeschossen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß der Mann vom Gefängnis meinte, es sei eine Schnapsidee, ihn besuchen zu wollen.«
»Keine Sorge«, meinte ich. »Was kann er mir im Gefängnis schon tun?«
»Alex, es wirkt irgendwie … krank.«
»Ich kann Ihnen sagen, was krank ist«, erwiderte ich. »Wenn einer Leute umbringt und mir Liebesbriefe darüber schreibt.«
»Aber Alex, das kann Rose nicht sein. Und Sie wissen das auch. Niemand kann an zwei Stellen zur selben Zeit sein.«
»Und wenn er nun einen Zwillingsbruder hat?«
»Wie bitte? Ist das Ihr Ernst?«
»Nur so eine Idee«, sagte ich. »Was ist, wenn sein Zwillingsbruder im Gefängnis sitzt und der wirkliche Rose ist hier oben?«
»Wenn er einen Zwillingsbruder hätte, warum sollte der dann … vergessen Sie’s. Dazu fällt selbst mir nichts mehr ein.«
»Tut mir leid«, sagte ich. »Ich weiß selbst, daß das verrückt klingt, aber irgendwo muß ich schließlich anfangen.«
»Hören Sie, ich versuche, irgendwelche Unterlagen aufzutreiben. Geburtsurkunde, Schulakten, was auch immer. Und ich lasse es Sie sofort wissen, wenn ich etwas vom Gefängnis höre, okay?«
»In Ordnung«, sagte ich. »Vielen Dank, daß Sie mich ertragen.«
»Vielleicht ist das heute ja die Nacht«, sagte er. »Vielleicht hat er heute nacht seinen großen Auftritt vor Ihrer Haustür.«
»Das hoffe ich auch«, sagte ich. »Ich weiß, es klingt merkwürdig, aber das ist mal ein Mörder, dem ich wirklich begegnen möchte.«
Noch eine Nacht. Dave im Auto, ich in der Hütte und
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