Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
bei den Schultern packte und nach drinnen zog. »Was machst du hier?«
Sie sagte nichts. Sie stand nur da und sah sich in meiner Hütte um. In der ganzen Zeit, die wir zusammengewesen waren, war sie nie hier gewesen.
Ich griff nach einer Decke und hüllte sie ein. »Setz dich«, sagte ich. »Ich mach dir ’nen Tee oder sonstwas.«
Sie setzte sich an den Tisch, auf den Stuhl, auf dem ich gerade geschlafen hatte.
»Es ist nicht richtig, daß du hier bist«, sagte ich, während ich Wasser auf den Herd stellte. »Du solltest zu Hause bei Edwins Mutter sein.«
»Sie ist weg«, sagte Sylvia und starrte vor sich hin ins Leere.
»Was?«
»Sie ist zurück nach Grosse Pointe. Sie hat gesagt, sie halte es hier keine Minute mehr aus.«
»Aber was ist mit … ich meine, wenn sie ihn finden?«
»Dann schicken sie ihn dahin«, sagte sie. »Da soll auch die Trauerfeier sein.«
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich stand nur da und sah dem Teewasser zu. Es war still in der Hütte, bis das Wasser schließlich zu kochen begann.
»Wo ist Uttley?«
»Ich habe ihn weggeschickt«, sagte sie. »Ich mag ihn nicht. Wie kannst du überhaupt für ihn arbeiten? Auf mich wirkt er wie ein Gebrauchtwagenhändler.«
»Sylvia, was ist das alles für eine Scheiße!«
»Was, Alex?« Jetzt erst sah sie mich an. »Was?«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Es tut mir leid.«
»Was tut dir leid?«
»Alles«, erklärte ich. »Einfach alles.«
Sie wollte etwas sagen, schüttelte dann aber nur den Kopf und starrte wieder vor sich.
»Er ist weg«, sagte sie. »Er ist wirklich weg.«
»Ja.«
»Genau das habe ich mir immer gewünscht«, sagte sie. »Jede Nacht habe ich mir das gewünscht.«
»Sylvia, sag das doch nicht.«
»Es stimmt, Alex. Ich wollte, daß er für immer verschwindet. Und jetzt ist er das.«
»Aber da bist du nicht schuld dran.«
»Das meine ich aber, Alex. Ich meine, ich habe es mir so dringend gewünscht, daß es schließlich passiert ist. Und weißt du, was das Komische ist? Ich empfinde nichts. Wenn ich ein schlechter Mensch wäre, würde ich mich jetzt freuen. Wenn ich ein guter Mensch wäre, hätte ich Schuldgefühle. Aber ich spüre beides nicht. Ich bin bloß … nicht mal das weiß ich. Ich empfinde einfach nichts.«
»Du stehst noch unter Schock«, meinte ich. »So was dauert seine Zeit.«
»Und du bist da und hilfst mir, nicht wahr? Ist es das, worauf du hinauswillst? Jetzt, wo er fort ist? Jetzt, wo ich nicht mehr die Frau deines Freundes bin?«
»Das habe ich nicht gemeint.«
»Und ob du das hast, verdammt noch mal!« sagte sie. Sie warf die Decke von den Schultern und stand auf. »Wieso bin ich überhaupt hierhergekommen? Was zum Teufel mache ich hier?« Sie sah sich um. »Weißt du eigentlich, was du für eine beschissen winzige Hütte hier hast, Alex? Ich glaube, mein Badezimmer ist größer als dieser Stall.«
»Sylvia, bitte, laß das!«
»Ich hätte wissen müssen, daß sie winzig ist. Du hast sie doch selbst gebaut? Wundert mich, daß sie überhaupt noch steht!«
»Ich sagte, laß das.« Ich ging zu ihr und packte sie an den Schultern. Dieses Mal drückte ich etwas fester zu.
»Laß mich los«, sagte sie.
Ich sah sie nur an.
»Laß mich los«, wiederholte sie. Aber sie wehrte sich nicht. Sie versuchte nicht, sich mir zu entwinden.
Ich betrachtete ihre Augen, ihr Haar, ihren Mund. Ich spürte die Wärme ihres Körpers. Ich wollte sie mehr denn je.
Sie stand nur. Ich hatte keine Ahnung, was sie denken mochte. Ihr Blick verriet nichts.
»Du wärst besser nicht hier«, sagte ich schließlich. »Hier ist es nicht sicher.«
»Was meinst du mit nicht sicher? Da draußen ist ein Polizist und hält Wache.«
»Nein«, sagte ich.
»Aber doch«, widersprach sie. »In dem normalen Auto. Versteckt im Wald.«
»Nein, Sylvia. Der ist da nicht mehr.«
»Doch, ist er«, sagte sie. »Ich habe ihn doch gesehen.«
»Wovon sprichst du? Wann hast du ihn gesehen?«
»Heute abend«, sagte sie. »Gerade eben, meine ich. Als ich vorgefahren bin. Jetzt im Moment ist er da draußen.«
Kapitel 16
Die Angst beschlich mich. Ich konnte sie durch nichts aufhalten. Ich spürte, wie sie von meinem Inneren Besitz ergriff, kalt und lebendig. »Sylvia, bitte«, sagte ich. »Sag mir genau, was du gesehen hast. Hast du jemanden in dem Auto gesehen?«
»Nein«, sagte sie, »nur das Auto. Ich weiß nicht, was für ein Typ. Einfach ein Auto. Und besonders gut versteckt war es auch nicht. Gut die Hälfte konnte
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