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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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den
     feuchten Wiesengrund nach dem Schilf zu. Da lag am Ufer eine schmale Fähre, sie schien mehr im Nebel als im Wasser zu schwimmen.
     Am Steuer aber saß in einen grauen, zerfetzten Mantel gehüllt ein alter Mann, dem die langen weißen Haare wirr ins Gesicht
     hingen. Er schien vor sich hin zu träumen, mit geschlossenen Augen, die er nicht aufschlug, als die Fürstin in den schwankenden
     Nachen stieg und sich in der Mitte desselben auf einem Feldstuhl niederließ. Dolios trat an den Schnabel des Schiffes und
     ergriff zwei Ruder: die Sklaven blieben bei dem Wagen zurück.
    »Dolios«, rief Amalaswintha besorgt, »es ist sehr dunkel, wird der Alte steuern können in diesem Nebel, und an keinem Ufer
     ein Licht?«
    »Das Licht würde ihm nichts nützen, Königin, er ist blind.«
    »Blind?« rief die Erschrockne, »laß landen! kehr um!«
    »Ich fahre hier seit bald zwanzig Jahren«, sprach der greise Ferge, »kein Sehender kennt den Weg gleich mir.«
    »So bist du blind geboren?«
    »Nein, Theoderich, der Amaler, ließ mich blenden, weil mich Alarich, der Baltenherzog, des Thulun Bruder, gedungen hätte,
     ihn zu morden. Ich bin ein Knecht der Balten, war ein Gefolgsmann Alarichs, aber ich war so unschuldig wie mein Herr, Alarich,
     der Verbannte. Fluch über die Amelungen!« rief er mit zornigem Ruck am Steuer.
    »Schweig, Alter«, sprach Dolios.
    »Warum soll ich heute nicht sagen, was ich bei jedem Ruderschlag seit zwanzig Jahren sage? Es ist mein Taktspruch.– Fluch
     den Amelungen!«
    Mit Grauen sah die Flüchtige auf den Alten, der in der Tat mit völliger Sicherheit und pfeilgerade fuhr. Sein weiter Mantel
     und wirres Haar flogen im Winde: ringsum Nebel und Stille, nur das Ruder hörte man gleichförmig einschlagen, leere Luft und
     graues Licht auf allen Seiten. Ihr war, als führte sie Charon über den Styx in das graue Reich der Schatten.– Fiebernd hüllte
     sie sich in ihren faltigen Mantel.
    Noch einige Ruderschläge, und sie landeten. Dolios hob die Zitternde heraus: der Alte aber wandte sein Boot schweigend und
     ruderte so rasch und sicher zurück, wie er gekommen. Mit einer Art von Grauen sah ihm Amalaswintha nach, bis er in dem dichten
     Nebel verschwand. Da war es ihr, als höre sie den Schall von Ruderschlägen eines zweiten Schiffes, welche rasch näher und
     näher drangen. Sie fragte Dolios nach dem Grund dieses Geräusches.
    »Ich höre nichts«, sagte dieser, »du bist allzu erregt, komm in das Haus.«
    Sie wankte, auf seinen Arm gestützt, die in den Felsboden gehauenen Stufen hinan, welche zu der burgähnlichen, hochgetürmten
     Villa führten: von dem Garten, welcher, wie sie sich lebhaft erinnerte, zu beiden Seiten dieses schmalen Weges sich dehnte,
     waren in dem Nebel kaum die Linien der Baumreihen zu sehen.
    Endlich erreichten sie das hohe Portal, eine eherne Tür im Rahmen von schwarzem Marmor. Der Freigelassne pochte mit dem Knauf
     seines Schwertes:– dumpf dröhnte der Schlag in den gewölbten Hallen nach – die Türe sprang auf. Amalaswintha gedachte, wie
     sie einst durch dieses Tor, welches die Blumengewinde fast versperrt hatten, an ihres Gatten Seite eingezogen war: sie gedachte,
     wie sie die Pförtner, gleichfalls ein jung vermähltes Paar, so freundlich begrüßt.– Der finstersehende Sklave mit wirrem grauem
     Haar, welcher jetzt mit Ampel und Schlüsselbund vor ihr stand, war ihr fremd.
    »Wo ist Fuscina, des früheren Ostiarius Weib? ist sie nicht mehr im Hause?« fragte sie.
    »Die ist lang ertrunken im See«, sagte der Pförtner gleichgültig und schritt mit der Leuchte voran.
    Schaudernd folgte die Fürstin: sie mußte sich die kalten, dunkeln Wogen vorstellen, welche so unheimlich an den Planken ihrer
     Fähre geleckt. Sie gingen durch Bogenhöfe und Säulenhallen:– alles leer, wie ausgestorben, die Schritte hallten laut durch
     die Öde – die ganze Villa schien ein weites Totengewölbe.
    »Das Haus ist unbewohnt? ich bedarf einer Sklavin.«
    »Mein Weib wird dir dienen.«
    »Ist sonst niemand in der Villa?«
    »Noch ein Sklave. Ein griechischer Arzt.«
    »Ein Arzt – ich will ihn   –«
    Aber in diesem Augenblicke schollen von dem Portal her einige heftige Schläge: schwer dröhnten sie durch die leeren Räume.
     Entsetzt fuhr Amalaswintha zusammen.
    »Was war das?« fragte sie, Dolios’ Arm fassend.
    Sie hörte die schwere Türe zufallen.
    »Es hat nur jemand Einlaß begehrt«, sagte der Ostiarius und schloß die Türe des für die Flüchtige

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