Ein Kampf um Rom
bestimmten Gemaches auf.
Die dumpfe Luft eines lang nicht mehr geöffneten Raumes drang ihr erstickend entgegen: aber mit Rührung erkannte sie die Schildpattbekleidung
der Wände: es war dasselbe Gemach, welches sie vor zwanzig Jahren bewohnt: überwältigt von der Erinnerung glitt sie auf den
kleinen Lectus, welcher mit dunkeln Polstern belegt war. Sie verabschiedete die beiden Männer, zog die Vorhänge des Lagers
um sich her zu und verfiel bald in einen unruhigen Schlaf.
Sechstes Kapitel
So lag sie, sie wußte nicht wie lange, bald wachend, bald träumend: wild jagte Bild auf Bild an ihrem Auge vorüber. Eutharich
mit seinem Zug des Schmerzes um die Lippen – Athalarich, wie er auf seinem Sarkophag hingestreckt lag, er schien ihr, zu sichherabzuwinken – das vorwurfsvolle Antlitz Mataswinthens – dann Nebel und Wolken und blattlose Bäume – drei zürnende Kriegergestalten
mit bleichen Gesichtern und blutigen Gewändern: und der blinde Fährmann in das Reich der Schatten. Und wieder war ihr, sie
liege auf der öden Heide auf den Stufen des Baltendenkmals, und als rausche es hinter ihr, und als beuge sich abermals hinter
dem Steine hervor jene verhüllte Gestalt über sie, näher und näher, beengend, erstickend.
Die Angst schnürte ihr das Herz zusammen, entsetzt fuhr sie auf aus ihrem Traum und sah hochaufgerichtet um sich: da – nein,
es war kein Traumgesicht – da rauschte es, hinter dem Vorhang des Bettes, und in die getäfelte Wand glitt ein verhüllter Schatten.
Mit einem Schrei riß Amalaswintha die Falten des Vorhangs auseinander – da war nichts mehr zu sehen. Hatte sie doch nur geträumt?
Aber sie konnte nicht mehr allein sein mit ihren bangen Gedanken. So drückte sie auf den Achatknauf in der Wand, der draußen
einen Hammer in Bewegung setzte. Alsbald erschien ein Sklave, dessen Züge und Tracht höhere Bildung verrieten. Er gab sich
als den griechischen Arzt zu erkennen: sie teilte ihm die Schreckgesichte, die Fieberschauer der letzten Stunden mit: er erklärte
es für Folgen der Aufregung, vielleicht der Erkältung auf der Flucht, empfahl ihr ein warmes Bad, und ging, dessen Mischung
anzuordnen.
Amalaswintha erinnerte sich der herrlichen Bäder, die, in zwei Stockwerken übereinander, den ganzen rechten Flügel der Villa
einnahmen. Das untere Stockwerk der großen achteckigen Rotunde, für die kalten Bäder bestimmt, stand mit dem See in unmittelbarem
Zusammenhange: sein Wasser wurde durch Siebtüren, welche jede Unreinheit abhielten, hereingeleitet. Das obere Stockwerk erhob
sich, als Verjüngung des Achtecks, über der Badstube des unteren, deren Decke, eine große, kreisförmige Metallplatte, den
Boden des obern warmen Bades bildete und nach Belieben in zwei Halbkreisen rechts und links in das Gemäuer geschoben werden
konnte, so daß die beiden Stockwerke dann einen ungeteilten, turmhohen Raum bildeten, welcher zum Zweck der Reinigung oder
zum Behuf vonSchwimm- und Taucherspielen ganz von dem Wasser des Sees erfüllt werden konnte. Regelmäßig aber bildete das obere Achteck
für sich den Raum des warmen Bades, in welches vielfach verschlungene Wasserkünste in hundert Röhren mit zahllosen Delphinen,
Tritonen und Medusenhäuptern von Bronze und Marmor, duftige, mit Ölen und Essenzen gemischte Fluten leiteten, während zierliche
Stufen von der Galerie, auf der man sich entkleidete, in das muschelförmige Porphyrbecken des eigentlichen Baderaumes hinabführten.
Während sich die Fürstin noch diese Räume ins Gedächtnis zurückrief, erschien das Weib des Türsklaven, sie in das Bad abzuholen.
Sie gingen durch weite Säulenhallen und Büchersäle, in welchen aber die Fürstin die Kapseln und Rollen Cassiodors vermißte,
in der Richtung nach dem Garten; die Sklavin trug die feinen Badetücher, Ölfläschchen und den Salbenkrug.
Endlich gelangte sie in das turmähnliche Achteck des Badepalastes, dessen sämtliche Gelasse an Boden, Wand und Decke durchaus
mit hellgrauen Marmorplatten belegt waren. Vorüber an den Hallen und Gängen, welche der Gymnastik und dem Ballspiel vor und
nach dem Bade dienten, vorüber an den Heizstübchen, den Auskleide- und Salbgemächern eilten sie sofort nach dem Caldarium,
dem warmen Bade. Die Sklavin öffnete schweigend die in die Marmorwand eingesenkte Tür. Amalaswintha trat ein und stand auf
der schmalen Galerie, welche rings um das Bassin lief: grade vor ihr führten die bequemen Stufen in
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