Ein Kampf um Rom
starken Heere, und er getäuscht, machtlos, überwunden! Wohl jeder andre hätte jetzt alles weitre Streben
ermüdet aufgegeben. In des Präfecten Seele fiel nicht ein Schatten der Entmutigung. Sein ganzer Riesenbau war eingestürzt:
noch betäubte der Schlag sein Ohr, und schon hatte er beschlossen, im selben Moment ihn von neuem zu beginnen: seine Welt
war versunken, und er hatte nicht Muße, ihr einen Seufzer nachzusenden: denn aller Augen hingen an ihm. Er beschloß, eine
zweite zu schaffen.
»Nun! was wirst du tun?« wiederholte Silverius.
Cethegus würdigte ihn keines Blicks. Zu der Versammlung gewendet, sprach er mit ruhiger Stimme:
»Belisar ist gelandet: Er ist jetzt unser Haupt: ich gehe in sein Lager.«
Damit schritt er dem Ausgang zu, gemessnen Ganges, gefaßten Angesichts, an Silverius und dessen Freunden vorüber. Silverius
wollte ein Wort des Hohnes flüstern: aber er verstummte, da ihn der Blick des Präfecten traf: »Frohlocke nicht, Priester«,
schien er zu sagen, »diese Stunde wird dir vergolten.«
Und Silverius, der Sieger, blieb erschrocken stehn ––
Neuntes Kapitel
Die Landung der Byzantiner war allen, Goten wie Italiern, gleich unerwartet gekommen. Denn die letzte Bewegung Belisars nach
Südosten hatte alle Erwartungen von der kaiserlichen Flotte in die Irre gelenkt.
Von unsern gotischen Freunden war nur Totila in Unteritalien: vergeblich hatte er als Seegraf von Neapolis die Regierung zu
Ravenna gewarnt und um Vollmachten, um Mittel zur Verteidigung Siciliens gebeten. Wir werden sehen, wie ihm alle Mittel genommen
wurden, das Ereignis zu verhindern, welches sein Volk bedrohte, welches gerade in die lichten Kreise seines eignen Lebens
zuerst verhängnisvolle Schatten werfen und die Bande des Glückes zerreißen sollte, mit welchen ein freundliches Schicksal
diesen Liebling der Götter bisher umwoben hatte. Denn in Bälde war es der unwiderstehlichen Anmut seiner Natur gelungen, das
edle, wenn auch strenge Herz des Valerius zu gewinnen.
Wir haben gesehen, wie mächtig die Bitten der Tochter, das Andenken an die Scheideworte der Gattin, die Offenheit Totilas
schon in jener Stunde der nächtlichen Überraschung auf den würdigen Alten gewirkt. Totila blieb als Gast in der Villa: Julius,
mit seiner gewinnenden Güte, wurde von den Liebenden zu Hilfe gerufen, und ihren vereinten Einflüssen gab der Sinn des Vaters
allmählich nach. Dies war jedoch bei dem strengen Römertum des Alten nur dadurch möglich, daß von allen Goten Totila an Sinnesart,
Bildung und Wohlwollen den Römern am nächsten stand, so daß Valerius bald einsah, er könne einen Jüngling nicht »barbarisch«
schelten, der besser als mancher Italier die Sprache, die Weisheit und die Schönheit der hellenischen und römischen Literatur
kannte und würdigte, und, wie er seine Goten liebte, so die Kultur der alten Welt bewunderte.
Dazu kam endlich, daß im politischen Gebiet den alten Römer und den jungen Germanen der gemeinsame Haß gegen die Byzantiner
verband. Wenn der offnen Heldenseele Totilas in den tückischen Erbfeinden seiner Nation die Mischung vonHeuchelei und Gewaltherrschaft unwillkürlich wie dem Lichte die Nacht verhaßt war, so war für Valerius die ganze Tradition
seiner Familie eine Anklage gegen das Imperatorentum und Byzanz.
Die Valerier hatten von jeher zu der aristokratisch-republikanischen Opposition wider das Cäsarentum gezählt. Und so mancher
der Ahnen hatte schon seit den Tagen des Tiberius die alt-republikanische Gesinnung mit dem Tode gebüßt und besiegelt. Niemals
hatten diese Geschlechter im Herzen die Übertragung der Weltherrschaft von der Tiberstadt nach Byzanz anerkannt: in dem byzantinischen
Kaisertum erblickte Valerius den Gipfel aller Tyrannei: und um jeden Preis wollte er die Habsucht, den Glaubenszwang, den
orientalischen Despotismus dieser Kaiser von seinem Latium fernhalten.
Es kam dazu, daß sein Vater und sein Bruder bei einer Handelsreise durch Byzanz von einem Vorgänger Justinians aus Habsucht
waren festgehalten und, wegen angeblicher Beteiligung an einer Verschwörung, unter Konfiskation ihrer im Ostreich belegnen
Güter, hingerichtet worden, so daß den politischen Haß des Patrioten mit aller Macht persönliche Schmerzen verstärkten. Er
hatte, als Cethegus ihn in die Katakombenverschwörung einweihte, eifrig den Gedanken einer Selbstbefreiung Italiens ergriffen,
aber alle Annäherungen der kaiserlichen Partei
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