Ein Kampf um Rom
gilt und die Seele nach dem
Himmelreich zu lenken, da rede du: denn solches ist dein Amt; wo’s aber Krieg und Kampf der Männer gilt, laß jene reden, die
den Krieg verstehen. Wir lassen dir den ganzen Himmel – laß uns nur die Erde. Ihr römischen Jünglinge, ihr habt die Wahl.
Wollt ihr abwarten, bis dieses wohlbedächtige Byzanz sich doch vielleicht Italiens erbarmt – ihr könnt müde Greise werden
bis dahin –, oder wollt ihr, nach alter Römer Art, die Freiheit mit dem eignen Schwert erkämpfen? Ihr wollt’s, ich seh’s am Feuer eurer
Augen. Wie? man sagt uns, wir sind zu schwach, Italien zu befreien? Ha, seid ihr nicht die Enkel jener Römer, welche den Weltkreis
bezwangen? Wenn ich euch aufrufe, Mann für Mann, da ist kein Name, der nicht klingt wie Heldenruhm: Decius, Corvinus, Cornelius,
Valerius, Licinius – wollt ihr mit mir das Vaterland befreien?«
»Wir wollen es! Führe uns, Cethegus!« riefen die Jünglinge begeistert.
Nach einer Pause begann der Jurist:
»Ich heiße Scaevola. Wo römische Heldennamen aufgerufen werden, hätte man auch des Geschlechts gedenken mögen, in dem das
Heldentum der Kälte erblich ist. Ich frage dich, du jugendheißer Held Cethegus, hast du mehr als Träume und Wünsche, wie diese
jungen Toren, hast du einen Plan?« –
»Mehr als das, Scaevola, ich habe und halte den Sieg. Hier ist die Liste fast aller Festungen Italiens: an den nächsten Iden,
in dreißig Tagen also, fallen sie, alle, auf Einen Schlag, in meine Hand.«
»Wie? dreißig Tage sollen wir noch warten?« fragte Lucius.
»Nur so lange, bis die hier Versammelten ihre Städte wieder erreicht, bis meine Eilboten Italien durchflogen haben. Ihr habt
über vierzig Jahre warten müssen!«
Aber der ungeduldige Eifer der Jünglinge, welchen er selbst geschürt, wollte nicht mehr ruhen: sie machten verdrossneMienen zu dem Aufschub – sie murrten. Blitzschnell ersah der Priester diesen Umschlag der Stimmung.
»Nein, Cethegus«, rief er, »so lang kann nicht mehr gezögert werden! Unerträglich ist dem Edeln die Tyrannei: Schmach dem,
der sie länger duldet, als er muß. Ich weiß euch bessern Trost, ihr Jünglinge! Schon in den nächsten Tagen können die Waffen
Belisars in Italien blitzen.«
»Oder sollen wir vielleicht«, fragte Scaevola, »Belisar nicht folgen, weil er nicht Cethegus ist?«
»Ihr sprecht von Wünschen«, lächelte dieser, »nicht von Wirklichem. Landete Belisar, ich wäre der erste, mich ihm anzuschließen.
Aber er wird nicht landen. Das ist’s ja, was mich abgewendet hat von Byzanz: der Kaiser hält nicht Wort.«
Cethegus spielte ein sehr kühnes Spiel. Aber er konnte nicht anders.
»Du könntest irren und der Kaiser früher sein Wort erfüllen, als du meinst. Belisar liegt bei Sicilien.«
»Nicht mehr. Er hat sich nach Afrika, nach Hause, gewendet. Hoft nicht mehr auf Belisar.«
Da hallten hastige Schritte aus dem Seitengange, und eilfertig stürzte Albinus herein:
»Triumph«, rief er, »Freiheit, Freiheit!«
»Was bringst du?« fragte freudig der Priester.
»Den Krieg, die Rettung! Byzanz hat den Goten den Krieg erklärt.«
»Freiheit, Krieg!« jauchzten die Jünglinge.
»Es ist unmöglich!« sprach Cethegus, tonlos.
»Es ist gewiß!« rief eine andre Stimme vom Gange her – es war Calpurnius, der jenem auf dem Fuß gefolgt – »und mehr als das:
der Krieg ist begonnen. Belisar ist gelandet auf Sicilien, bei Catana: Syrakusä, Messana sind ihm zugefallen, Panormus hat
er mit der Flotte genommen, er ist übergesetzt nach Italien, von Messana nach Regium, er steht auf unserm Boden.«
»Freiheit!« rief Marcus Licinius.
»Überall fällt ihm die Bevölkerung zu. Aus Apulien, aus Calabrien flüchten die überraschten Goten, unaufhaltsam dringt er
durch Bruttien und Lucanien gen Neapolis.«
»Es ist erlogen, alles erlogen!« sagte Cethegus, mehr zu sich selbst als zu den andern.
»Du scheinst nicht sehr erfreut über den Sieg der guten Sache. Aber der Bote ritt drei Pferde zu Tod. Belisar ist gelandet
mit dreißigtausend Mann.«
»Ein Verräter, wer noch zweifelt«, sprach Scaevola.
»Nun laß sehen«, höhnte Silverius, »ob du dein Wort halten wirst. Wirst du der erste von uns sein, dich Belisar anzuschließen?«
Vor Cethegus’Auge versank in dieser Stunde eine ganze Welt,
seine
Welt.– So hatte er denn umsonst, nein, schlimmer als das, für einen verhaßten Feind alles getan, was er getan. Belisar in
Italien mit einem
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