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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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Augusta Vindelicorum am Licus,
     die Tag und Nacht die morschen Wälle dieser alleräußersten Nordschanze des Gotenreichs gegen die wilden Suaven zu schirmen
     hatten. Und wieder friedliche Schafhirten aus Dacien, die, ohne Acker und ohne Haus, mit ihren Herden von Weide zu Weide wanderten,
     ganz in derselben Weise noch, welche die Ahnen vor tausend Jahren aus Asien herübergeführt hatte. Da war ein reicher Gote,
     der in Ravenna oder Rom eines römischenGeldwechslers Kind geheiratet und bald Handel und Verkehr gleich seinem römischen Schwager zu treiben und seinen Gewinn nach
     Tausenden zu berechnen gelernt hatte. Und daneben stand ein armer Senne, der an dem brausenden Isarcus die magern Ziegen auf
     die magre Weide trieb, und dicht neben der Höhle des Bären seine Bretterhütte errichtet hatte.
    So verschieden war den Tausenden, die sich hier zusammenfanden, das Los gefallen, seit ihre Väter dem Ruf des großen Theoderich
     nach Westen gefolgt waren, hinweg von den Tälern des Hämus. Aber doch fühlten sie sich als Brüder, als Söhne Eines Volkes:
     dieselbe stolzklingende Sprache redeten sie, dieselben Goldlocken, dieselbe schneeweiße Haut, dieselben hellen, blitzenden
     Augen und – vor allem – das gleiche Gefühl in jeder Brust: als Sieger stehen wir auf dem Boden, den unsre Väter dem römischen
     Weltreich abgetrotzt, und den wir decken wollen, lebendig oder tot.
    Wie ein ungeheuerer Bienenschwarm wogten und rauschten die Tausende durcheinander, welche sich hier begrüßten, alte Bekanntschaften
     aufsuchten und neue schlossen, und das chaotische Getreibe schien nimmer enden zu wollen und zu können. Aber plötzlich tönten
     von dem Kamm der Hügel her eigentümliche, feierlich gezogene Töne des gotischen Heerhorns: und augenblicklich legte sich das
     Gesumme der brausenden Stimmen. Aufmerksam wandten sich aller Augen nach der Richtung der Hügel, von denen ein geschlossener
     Zug ehrwürdiger Greise nahte.
    Es war ein halbes Hundert von Männern in weißen, wallenden Mänteln, die Häupter eichenbekränzt, weiße Stäbe und altertümlich
     geformte Steinbeile führend: die Sajonen und Fronwärter des Gerichts, welche die feierlichen Formen der Eröffnung, Hegung
     und Aufhebung des Things zu vollziehen hatten. Angelangt in der Ebene begrüßten sie mit dreifachem, langgezogenem Hornruf
     die Versammlung der freien Heermänner, welche, nach feierlicher Stille, mit klirrenden Waffen lärmend antworteten.
    Alsbald begannen die Bannboten ihr Werk. Sie teilten sich nach rechts und links und umzogen mit Schnüren von roterWolle, welche alle zwanzig Schritt um einen Haselstab, den sie in die Erde stießen, geschlungen wurden, die ganze weite Ebene,
     und begleiteten diese Handlung mit uralten Liedern und Sprüchen. Genau gegen Aufgang und Mittag wurden die Wollschnüre auf
     mannshohe Lanzenschäfte gespannt, so daß sie die zwei Tore der nun völlig umfriedeten Thingstätte bildeten, an welchen die
     Fronboten mit gezückten Beilen Wache hielten, alle Unfreien, alle Volksfremden und alle Weiber fernzuhalten. Als diese Arbeit
     vollendet war, traten die beiden Ältesten unter die Speertore und riefen mit lauter Stimme:
    »Gehegt ist der Hag
    Altgotischer Art:
    Nun beginnen mit Gott
    Mag gerechtes Gericht.«
    Auf die hiernach eingetretne Pause folgte unter der versammelten Menge ein anfangs leises, dann lauter tönendes und endlich
     fast betäubendes Getöse von fragenden, streitenden, zweifelnden Stimmen. Es war nämlich schon bei dem Zug der Sajonen aufgefallen,
     daß er nicht, wie gewöhnlich, von dem Grafen geführt war, welcher im Namen und Bann des Königs das Gericht abzuhalten und
     zu leiten pflegte. Doch hatte man erwartet, daß dieser Vertreter des Königs wohl während der Umschnürung des Platzes erscheinen
     werde.
    Als nun aber diese Arbeit geschehen, und der Spruch der Alten, der zum Beginn des Gerichtes aufforderte, ergangen und doch
     aber immer noch kein Graf, kein Beamter erschienen war, der allein die Eröffnungsworte sprechen konnte, ward die Merksamkeit
     aller auf jene schwer auszufüllende Lücke gelenkt. Während man nun überall nach dem Grafen, dem Vertreter des Königs, fragte
     und suchte, erinnerte man sich, daß dieser ja verheißen hatte, in Person vor seinem Volk zu erscheinen, sich und seine Königin
     gegen die erhobnen schweren Anklagen zu verteidigen.
    Aber da man jetzt bei des Königs Freunden und Anhängern sich nach ihm erkundigen wollte, ergab sich die

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