Ein Kampf um Rom
den Tod verdient: nicht nur um des Blutes willen der drei Herzöge, die, alle sollen es erfahren, durch mich starben:
mehr noch um des Wahnes willen, mit dem ich mein Volk zurückgesetzt um Byzanz. Gelange ich lebend nach Regeta, so will ich
warnen und mahnen mit der letzten Kraft meines Lebens: fürchtet Byzanz. Byzanz ist falsch wie die Hölle, und ist kein Friede
denkbar zwischen ihm und uns. Aber warnen will ich auch vor dem Feind im Innern. König Theodahad spinnt Verrat: er hat an
Petros, den Gesandten von Byzanz, Italien und die Gotenkrone verkauft: er hat getan, was ich demGriechen weigerte. Seht euch vor, seid stark und einig. Könnt’ ich sterbend sühnen, was ich lebend gefehlt.‹«
In tiefer Stille hatte das Volk die Worte vernommen, welche Cassiodor mit zitternder Stimme gesprochen, und die jetzt wie
aus dem Jenseits herüberzutönen schienen. Auch als er geendet, wirkte noch der Eindruck des Mitleids und der Trauer fort in
feierlichem Schweigen.
Endlich erhob sich der alte Hildebrand und sprach: »Sie hat gefehlt: sie hat gebüßt. Tochter Theoderichs, das Volk der Goten
verzeiht dir deine Schuld und dankt dir deine Treue.«
»So mög’ ihr Gott vergeben, Amen!« sprach Cassiodor.
»Ich habe niemals die Fürstin an den Bolsenersee geladen: ich konnt’ es nicht: vierzehn Tage zuvor hatt’ ich all meine Güter
verkauft an die Königin Gothelindis.«
»Sie also hat ihre Feindin«, fiel Arahad ein, »seinen Namen mißbrauchend, in jenes Haus gelockt. Kannst du das leugnen, Graf
Witichis?«
»Nein«, sprach dieser ruhig, »aber«, fuhr er zu Cassiodor gewendet fort, »hast du auch Beweis, daß die Fürstin daselbst nicht
zufälligen Todes gestorben, daß Gothelindis ihren Tod herbeigeführt?«
»Tritt vor, Syrus, und sprich!« sagte Cassiodor, »ich bürge für die Treue dieses Mundes.«
Der Sklave trat vor, neigte sich und sprach:
»Ich habe seit zwanzig Jahren die Aufsicht über die Schleusen des Sees und die Wasserkünste des Bades der Villa im Bolsenersee:
niemand außer mir kannte dessen Geheimnisse. Als die Königin Gothelindis das Gut erkauft, wurden alle Sklaven Cassiodors entfernt
und einige Diener der Königin eingesetzt: ich allein ward belassen.
Da landete eines frühen Morgens die Fürstin Amalaswintha auf der Insel, bald darauf die Königin. Diese ließ mich sofort kommen,
erklärte, sie wolle ein Bad nehmen, und befahl mir, ihr die Schlüssel zu allen Schleusen des Sees und zu allen Röhren des
Bades zu übergeben und ihr den ganzen Plan des Druckwerks zu erklären. Ich gehorchte, gab ihr die Schlüssel und den auf Pergament
gezeichneten Plan, warnte sie aber nachdrücklich,nicht alle Schleusen des Sees zu öffnen und nicht alle Röhren spielen zu lassen: das könne das Leben kosten. Sie aber wies
mich zürnend ab, und ich hörte, wie sie ihrer Badsklavin befahl, die Kessel nicht mit warmem, sondern mit heißem Wasser zu
füllen.
Ich ging, besorgt um ihre Sicherheit, und hielt mich in der Nähe des Bades. Nach einiger Zeit hörte ich an dem mächtigen Brausen
und Rauschen, daß die Königin dennoch, gegen meinen Rat, die ganze Flut des Sees hereingelassen: zugleich hörte ich in allen
Wänden das dampfende Wasser zischend aufsteigen, und da mir obendrein dünkte, als vernehme ich, gedämpft durch die Marmormauern,
ängstlichen Hilfschrei, eilte ich auf den Außengang des Bades, die Königin zu retten. Aber wie erstaunte ich, als ich an dem
mir wohlbekannten Mittelpunkt der Künste, an dem Medusenhaupt, die Königin, die ich im Bad, in Todesgefahr wähnte, völlig
angekleidet stehen sah. Sie drückte an den Federn und wechselte mit jemanden, der im Bade um Hilfe rief, zornige Worte. Entsetzt
und dunkel ahnend, was da vorging, schlich ich, zum Glück noch unbemerkt, hinweg.«
»Wie, Feigling?« sprach Witichis, »du ahntest, was vorging, und schlichst hinweg?«
»Ich bin nur ein Sklave, Herr, kein Held: und hätte mich die grimme Königin bemerkt, ich stünde wohl nicht hier, sie anzuklagen.
Gleich darauf erscholl der Ruf, die Fürstin Amalaswintha sei im Bad ertrunken.«
Ein Murren und Rufen drang tosend durch das versammelte Volk.
Frohlockend rief Arahad: »Nun, Graf Witichis, willst du sie noch beschützen?«
»Nein«, sprach dieser ruhig, das Schwert einsteckend, »ich schütze keine Mörderin. Mein Amt ist aus.«
Und mit diesem Wort trat er von der linken auf die rechte Seite, zu den Anklägern, hinüber.
»Ihr, freie
Weitere Kostenlose Bücher