Ein Kampf um Rom
ihm!« hallte es tausendfach wider unter betäubendem Klirren der Waffen.
Und darauf erhob abermal der alte Waffenmeister seine eherne Stimme und sprach feierlich:
»Wisset es, Gott im Himmel und Menschen auf Erden, sehende Sonne und wehender Wind, wisset es, das Volk der Goten, frei und
alten Ruhmes voll und zu den Waffen geboren, hat abgetan seinen ehemaligen König Theodahad, des Theodis Sohn, weil er Volk
und Reich an den Feind verraten. Wir sprechen dir ab, Theodahad, die goldne Krone und das Gotenreich, das Gotenrecht und das
Leben. Und solches tun wir nicht nach Unrecht, sondern nach Recht. Denn frei sind wir gewesen alle Wege unter unsern Königen
und wollten eh’ der Könige missen als der Freiheit. Und so hoch steht kein König, daß er nicht um Mord, Verrat und Eidbruch
zu Recht stehe vor seinem Volk. So sprech’ ich dir ab Krone und Reich, Recht und Leben. Landflüchtig sollst du sein, echtlos,
ehrlos, rechtlos. So weit Christenleute zur Kirche gehen und Heidenleute zum Opferstein. So weit Feuer brennt und Erde grünt.
So weit Schiff schreitet und Schild scheinet. So weit Himmel sich höht und Welt sich weitet. So weit der Falke fliegt den
langen Frühlingstag, wenn ihm der Wind steht unter seinen beiden Flügeln. Versagt soll dir sein Halle und Haus und guter Leute
Gemeinschaft und alle Wohnung, ausgenommen die Hölle. Dein Erb’ und Eigen teil’ ich zu dem Gotenvolk. Dein Blut und Fleisch
den Raben in den Lüften. Und wer dich findet, in Halle und Hof, in Haus oder Heerstraße, soll dich erschlagen, ungestraft,
und soll bedankt sein dazu von Gott und den guten Goten. Ich frage euch, soll’s so geschehn?«
»So soll’s gescheh’n!« antworteten die Tausende und schlugen Schwert an Schild.
Kaum war Hildebrand herabgestiegen, als der alte Haduswinthseine Stelle einnahm, das zottige Bärenfell zurückwarf und sprach:
»Des Neidkönigs wären wir ledig! Er wird seinen Rächer finden. Aber jetzt, treue Männer, gilt es, einen neuen König wählen.
Denn ohne König sind wir nie gewesen. So weit unsere Sagen und Sprüche zurückdenken, haben die Ahnen Einen auf den Schild
gehoben, das lebende Bild der Macht, des Glanzes, des Glückes der guten Goten. Solang es Goten gibt, werden sie Könige haben:
und solang sich ein König findet, wird ihr Volk bestehn. Und jetzt vor allem gilt’s, ein Haupt, einen Führer zu haben. Das
Geschlecht der Amelungen ist glorreich aufgestiegen, wie eine Sonne: lang hat sein hellster Stern, Theoderich, geleuchtet:
aber schmählich ist’s erloschen in Theodahad. Auf, Volk der Goten, du bist frei! frei wähle dir den rechten König, der dich
zu Sieg und Ehre führt. Dein Thron ist leer: mein Volk, ich lade dich zur Königswahl!«
»Zur Königswahl!« sprach diesmal feierlich und machtvoll der Chor der Tausende.
Da trat Witichis auf den Thingstuhl, hob den Helm vom Haupt und die Rechte gen Himmel:
»Du weißt es, Gott, der in den Sternen geht, uns treibt nicht frevler Kitzel des Ungehorsams und des Übermuts: uns treibt
das heilige Recht der Not. Wir ehren das Recht des Königtums, den Glanz, der von der Krone strahlt: geschändet aber ist dieser
Glanz, und in der höchsten Not des Reiches üben wir des Volkes höchstes Recht. Herolde sollen ziehen zu allen Völkern der
Erde und laut verkünden: nicht aus Verachtung, aus Verehrung der Krone haben wir es getan. Wen aber wählen wir? Viel sind
der wackern Männer im Volk, von altem Geschlecht, von tapfrem Arm und klugem Geist. Wohl mehrere sind der Krone würdig. Wie
leicht kann es kommen, daß einer diesen, der andere jenen vorzieht? Aber um Gott, nur jetzt keinen Zwist, keinen Streit! Jetzt,
da der Feind im Lande liegt! Drum laßt uns schwören vorher feierlich: wer das Stimmenmehr erhält, sei’s nur um Eine Stimme,
den wollen wir alle als unsern König achten, unweigerlich, und keinen andern. Ich schwöre es – schwört mit mir.«
»Wir schwören!« riefen die Goten.
Aber der junge Arahad stimmte nicht ein. Ehrgeiz und Liebe loderten in seinem Herzen: er bedachte, daß sein Haus jetzt, nach
dem Fall der Balten und der Amaler, das edelste war im Volk: er hoffte, Mataswinthens Hand zu gewinnen, wenn er ihr eine Krone
bieten konnte: und kaum war der Schwur verhallt, als er vortrat und rief:
»Wen sollen wir wählen, gotische Männer? bedenkt euch wohl! Vor allem, das ist klar, einen Mann jungkräftigen Armes wider
den Feind. Aber das allein genügt nicht. Weshalb
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