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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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seine mathematischen und mechanischen Studien
     hatten ihn eines Tages dahin geführt, eine neue Wurfmaschine von furchtbarer Schleuderkraft, wie im Vorbeigehn, zu erfinden;
     er legte den Plan Belisar vor, und dieser, entzückt, ließ ihn gar nicht mehr in sein Studierzimmer zurück, sondern schleppte
     ihn sofort zum Kaiser und zwang ihn, »Geschützmeister des Magister Militum per Orientem«, d.   h. eben Belisars, zu werden; er erhielt einen glänzenden Sold und war nur kontraktlich verpflichtet, jedes Jahr eine neue
     Kriegsmaschine herzustellen.
    Mit Seufzen ersann nun der sanfte Mathematiker jene gräßlichen Zerstörungswerkzeuge, welche die Wälle der Vesten, die Tore
     der Burgen niederschmetterten, unlöschbares Feuer in die Städte der Feinde Justinians schleuderten und Menschen zu vielen
     Tausenden niederrafften. Er hatte wohl jedes Jahr seine Freude an der mathematischen Aufgabe, die er in unermüdlichem Fleiß
     sich stellte: aber war nun die Aufgabe gelöst, so dachte er mit Schaudern an die Wirkungen seiner Gedanken. Mit trauriger
     Miene erschien er deshalb vor Belisar.
    »Martine, Zirkeldreher«, rief dieser ihm zu, »jetzt zeige deine Kunst! Wie viele Katapulten, Ballisten, Wurfmaschinen im ganzen
     haben wir?«
    »Dreihundertfünfzig, Herr!«
    »Gut! Verteile sie um unsere ganze Belagerungslinie! Oben im Norden, bei der Porta Capuana und bei dem Castell, die Mauerbrecher
     gegen die Wälle! Sie müssen nieder, und wären sie Diamant. Vom Mittellager aus richte die Geschosse von oben, im Bogenwurf,
     in die Straßen der Stadt. Biete alle Kraft auf, setze keinen Augenblick aus, vierundzwanzig Stunden lang! Laß die Truppen
     sich ablösen. Laß alle Werkzeuge spielen.«
    »Alle, Herr?« sprach Martinus. »Auch die neuen? Die Pyroballisten, die Brandgeschosse?«
    »Auch die! die zumeist!«
    »Herr, sie sind gräßlich! du kennst noch ihre Wirkung nicht.« –
    »Wohlan! Ich will sie kennenlernen und erproben.«
    »An dieser herrlichen Stadt? An des Kaisers Stadt? Willst du Justinian einen Schutthaufen erobern?«
    Die Seele Belisars war edel und groß. Er war unwillig über sich, über Martinus, über die Goten. »Kann ich denn anders?« zürnte
     er, »diese eisenköpfigen Barbaren, dieser tolldreiste Totila zwingen mich ja. Fünfmal hab’ ich ihnen Kapitulation angeboten.
     Es ist Wahnsinn! Nicht dreitausend Mann stecken in den Wällen. Beim Haupte Justinians! warum stehen die fünfzigtausend Neapolitaner
     nicht auf und entwaffnen die Barbaren?«
    »Sie fürchten wohl deine Hunnen ärger als ihre Goten«, meinte Prokop.
    »Schlechte Patrioten sind sie! Vorwärts Martinus! In einer Stunde muß es brennen in Neapolis.«
    »In kürzerer Zeit«, seufzte der Geschützmeister, »wenn es denn doch sein muß. Ich habe einen kundigen Mann mitgebracht, der
     uns viel helfen kann und die Arbeit vereinfachen: er ist ein lebendiger Plan der Stadt. Darf ich ihn bringen?«
    Belisar winkte, und die Wache rief einen kleinen, jüdisch aussehenden Mann herein.
    »Ah, Jochem, der Baumeister!« sprach Belisar. »Ich kenne dich wohl, von Byzanz her. Du wolltest ja die Sophienkirche bauen.
     Was ward daraus?«
    »Mit eurer Gunst, Herr: nichts.«
    »Warum nichts?«
    »Mein Plan belief sich nur auf eine Million Zentenare Goldes: das war der kaiserlichen Heiligkeit zu wenig. Denn je mehr eine
     Christenkirche gekostet, desto heiliger und gottgefälliger ist sie. Ein Christ forderte das Doppelte und erhielt den Auftrag.«
    »Aber ich sah dich doch bauen in Byzanz?«
    »Ja, Herr, mein Plan gefiel dem Kaiser doch! Ich änderte ein wenig, nahm die Altarstelle heraus und baute ihm danach eine
     Reitschule.«
    »Du kennst Neapolis genau? Von außen und innen?«
    »Von außen und innen. Wie meinen Geldsack.«
    »Gut, du wirst dem Strategen die Geschütze richten gegen die Wälle und in die Stadt. Die Häuser der Gotenfreunde müssen zuerst
     nieder. Vorwärts! mache deine Sache gut! sonst wirst du gepfählt. Fort!«
    »Die arme Stadt!« seufzte Martinus.
    »Aber du sollst sehen, Jochem, die Pyroballisten, sie sind höchst genau – und sie gehen so leicht   –, ein Kind kann sie loslassen! Und sie wirken allerliebst.«
    Und nun begann entlang dem ganzen Lager eine ungeheure und verderbenschwangere Tätigkeit. Die Gotenwachen auf den Zinnen sahen
     herab, wie die schweren Kolosse, die Maschinen, mit zwanzig bis dreißig Rossen, Kamelen, Eseln, Rindernbespannt, längs den Mauern hingezogen und auf der ganzen Linie verteilt

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