Ein Kampf um Rom
kleinen Garten: da lag ein Stein unter
Trauerweiden: der Mann wälzte ihn weg, und sie senkten die Leiche hinein, das Antlitz gegen Osten.– Ohne Worte, ohne Tränen
starrte Miriam in die Grube: sie fühlte sich so arm jetzt, so allein; mitleidig, leise schob der Bajuvare die Steinplatte
darüber.
»Komm!« sagte er dann.
»Wohin?« fragte Miriam tonlos.
»Ja, wohin willst du?«
»Das weiß ich nicht! – Hab Dank«, sprach sie und nahm ein Amulett vom Halse und reichte es ihm: es war von Gold, eine Schaumünze
vom Jordan, aus dem Tempel.
»Nein!« sagte der Mann und schüttelte das Haupt.
Er nahm ihre Hand und legte sie über seine Augen. »So«, sagte er, »das wird mir guttun mein Leben lang. Jetzt muß ich fort,
wir müssen den Grafen fangen, den Totila. Leb wohl.«
Dieser Name schlug in Miriams Herz – noch einen Blick warf sie auf das stille Grab, und hinaus schlüpfte sie rasch aus dem
Gärtchen. Sie wollte zum Tore hinaus auf die Straße: aber das Fallgitter war gesenkt, an den Toren standen Männer mit gotischen
Helmen und Schilden. Erstaunt sah sie um sich.
»Ist alles vollzogen, Chanaranges?«
»Alles, er ist so gut wie gefangen.«
»Horch, vor dem Wall,– Pferdegetrappel – sie sind’s! zurück, Weib.«
Draußen aber sprengten einige Reiter die Straße heran gegen das Tor.
»Auf! auf, das Tor«, rief Totila von weitem.
Da spornte Thorismuth sein Roß heran.
»Ich weiß nicht, ich traue nicht!« rief er, »die Straße war wie ausgestorben und ebenso drüben das Lager der Feinde: kaum
ein paar Wachtfeuer brennen.«
Da scholl von der Zinne ein Ruf des gotischen Hornes.
»Der Bursch bläst ja gräßlich!« sprach Thorismuth zürnend.
»Es wird ein Welscher sein«, meinte Totila.
»Gebt die Losung«, rief ’s herab auf lateinisch.
»Neapolis«, antwortete Totila entgegen.
»Hörst du’s? Uliaris hat die Bürger bewaffnen müssen. Auf das Tor! ich bringe frohe Kunde«, fuhr er fort zu den oben Aufgestellten,
»vierhundert Goten folgen mir auf dem Fuße: und Italien hat einen neuen König.«
»Wer ist’s?« fragte es leise drinnen.
»Der auf dem weißen Roß, der erste.«
Da sprangen die Torflügel auf, gotische Helme füllten den Eingang, Fackeln glänzten, Stimmen flüsterten.
»Auf mit dem Fallgitter«, rief Totila, dicht heranreitend.
Spähend blickte Thorismuth vor, die Hand vor den Augen.
»Sie haben gestern getagt zu Regeta«, fuhr er fort, »Theodahad ist abgesetzt, und Graf Witichis –«
Da hob sich langsam das Gitter, und Totila wollte eben dem Roß den Sporn geben, da warf sich vor die Hufen seines Hengstes
ein Weib aus der Reihe der Krieger.
»Flieh«, rief sie, »Feinde über dir! die Stadt ist gefallen!«
Aber sie konnte nicht vollenden: ein Lanzenstoß durchbohrte ihre Brust.
»Miriam!« schrie Totila entsetzt und riß sein Pferd zurück.
Aber Thorismuth, der längst Argwohn geschöpft, zerhieb, rasch entschlossen, mit dem Schwert, durch das Gitter hindurch, das
haltende Seil, an dem das Tor auf- und niederging, daß es dröhnend vor Totila niederschlug. Ein Hagel von Speeren und Pfeilen
fuhr durch das Gitter.
»Auf das Gitter! Hinaus auf sie!« rief Johannes von innen: aber Totila wich nicht.
»Miriam, Miriam«, rief er im tiefsten Schmerz.
Da schlug sie noch mal die Augen auf, mit einem brechenden, von Liebe und Schmerz verklärten Blick,– dieser Blick sagte alles:
er drang tief in Totilas Herz.
»Für dich!« hauchte sie und fiel zurück –
Da vergaß er Neapolis und die Todesgefahr.
»Miriam«, rief er nochmals, beide Hände gegen sie ausbreitend.–
Da streifte ein Pfeil den Bug seines Pferdes, blitzschnell prallte das edle Tier hochbäumend zurück. Das Fallgitter fing an,
sich zu heben: da faßte Thorismuth nach Totilas Zügel, riß das Pferd herum und gab ihm einen Schlag mit der flachen Klinge,
daß es hinwegschoß.
»Auf und davon, Herr«, rief er, »ja, sie müssen flink sein, die uns einholen.«
Und brausend sprengten die Reiter auf der Via Capuana den Weg zurück, den sie gekommen; nicht weit verfolgte sie Johannes,
im Dunkel der Nacht und des Wegs unkundig. Bald begegnete ihnen die heranziehende Besatzung vom Castell Aurelians: auf einem
Hügel machten sie halt, von wo man die Stadt mit ihren Zinnen, in dem Schein der byzantinischen Wachtfeuer auf den Wällen,
liegen sah. Erst jetzt raffte sich Totila aus seinem Schmerz, aus seiner Betäubung auf.
»Uliaris!« seufzte er,
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