Ein Kampf um Rom
»laßt mich allein mit ihm.«
Teja wandte sich zum Ausgang, Hildebrand zögerte.
»Geh nur, ich gelobe es dir«, sprach sie, die Hand auf die Marmorurne legend, »bei der Asche meines Kindes: mit Sonnenaufgang
ist er frei.«
»Nein«, sprach Witichis, »ich stoße mein Weib nicht von mir, nie.«
»Das sollst du nicht. Nicht du vertreibst mich: ich wende mich von dir. Rauthgundis geht, ihr Volk zu retten und ihres Gatten
Ehre. Du kannst dein Herz nie von mir lösen: ich weiß es, es bleibt mein, seit heute mehr denn je. Geht, was jetzo zwischen
uns beiden zu leben ist, trägt keinen Zeugen.«
Schweigend verließen die Männer das Zelt, schweigend gingen sie miteinander die Lagergasse hinab, an der Ecke hielt der Alte.
»Gut Nacht, Teja«, sagte er, »jetzt ist’s getan.«
»Ja, doch wer weiß, ob wohlgetan. Ein edles, edles Opfer – noch viele andre werden folgen, und mir ist, dort in den Sternen
steht geschrieben: umsonst. Doch gilt’s die Ehre noch, wenn nicht den Sieg. Leb wohl.«
Und er schlug den dunkeln Mantel um die Schulter und verschwand wie ein Schatten in der Nacht.
Achtzehntes Kapitel
Am andern Morgen noch vor Hahnenkraht ritt ein verhülltes Weib aus dem Gotenlager. Ein Mann im braunen Kriegermantel schritt
neben ihr, das Roß am Zügel führend und immer wieder in ihr verschleiert Antlitz schauend. Einen Pfeilschuß hinter ihnen ritt
ein Knecht, ein Bündel hinter sich auf dem Sattel, an dem die schwere Keule hing.
Lange verfolgten sie schweigend ihren Weg. Endlich hatten sie eine Waldhöhe erreicht: hinter ihnen die breite Niederung, in
welcher das Gotenlager und die Stadt Ravenna ruhten, vor ihnen die Straße, welche nach der Via Aemilia im Nordwesten führte.
Da hielt das Weib den Zügel an.
»Die Sonne steigt soeben auf: ich hab’s gelobt, daß sie dich frei und ledig findet. Leb wohl, mein Witichis.«
»Eile nicht so hinweg von mir«, sagte er, ihre Hand drückend.
»Wort muß man halten, Freund, und bricht das Herz darob. Es muß sein.«
»Du gehst leichter, als ich bleibe.«
Sie lächelte schmerzlich. »Ich lasse mein Leben hinter dieser Waldhöhe: Du hast noch ein Leben vor dir.«
»Was für ein Leben!«
»Das Leben eines Königs für sein Volk, wie dein Eid es gebeut.«
»Unseliger Eid.«
»Es war recht, ihn zu schwören: es ist Pflicht, ihn zu halten. Und du wirst mein gedenken in den Goldsälen von Rom, wie ich
dein in meiner Hütte tief im Steingeklüft. Du wirst sie nicht vergessen, die zehn Jahre der Lieb’ und Treu, und unsern süßen
Knaben.«
»O mein Weib, mein Weib«, rief der Gequälte und umschlang sie mit beiden Armen, das Haupt auf den Sattelknopf gedrückt.
Sie beugte das Haupt über ihn und legte die Rechte auf sein braunes Haar. Inzwischen war Wachis herangekommen: er sah der
Gruppe eine Weile zu, dann hielt er’s nicht mehr aus. Er zog leise seinen Herrn am Mantel: »Herr, paßt auf, ich weiß euch
guten Rat, hört ihr nicht?«
»Was kannst du raten?«
»Kommt mit, auf und davon! werft euch auf mein Pferd und reitet frisch davon mit Frau Rauthgundis. Ich komme nach. Laßt ihnen
doch, die euch so quälen, daß euch die hellen Tropfen im Auge stehen, laßt ihnen doch den ganzen Plunder von Kron’ und Reich.
Euch hat’s kein Glück gebracht: sie meinen’snicht gut mit euch: wer will Mann und Weib scheiden um eine tote Krone? Auf und davon, sag’ ich! Und ich weiß euch ein Felsennest,
wo euch nur der Adler findet oder der Steinbock.«
»Soll dein Herr von seinem Reich entlaufen wie ein schlechter Sklave aus der Mühle?«
»Leb wohl, Witichis, hier nimm die Kapsel mit dem blauen Band: des Kindes Stirnlocken sind darin und eine«, flüsterte sie,
ihn auf die Stirn küssend und das Medaillon umhängend, »und eine von Rauthgundis. Leb wohl, du mein Leben!«
Er richtete sich auf, ihr ins Auge zu sehen. Da trieb sie das Pferd an: »Vorwärts, Wallada«, und sprengte hinweg: Wachis folgte
im Galopp, Witichis stand regungslos und sah ihr nach. Da hielt sie, ehe die Straße sich ins Gehölz krümmte – noch mal winkte
sie mit der Hand und war gleich darauf verschwunden.
Witichis lauschte wie im Traum auf die Hufschläge der eilenden Rosse. Erst als diese verhallt, wandte er sich. Aber es ließ
ihn nicht von der Stelle. Er trat seitab der Straße: dort lag jenseits des Grabens ein großer moosiger Felsblock: darauf setzte
sich der König der Goten, und stützte die Arme auf die Knie, das Haupt in beide Hände.
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