Ein Kampf um Rom
Fest drückte er die Finger vor die
Augen, die Welt und alles draußen auszuschließen von seinem Schmerz. Tränen drangen durch die Hände, er achtete es nicht.
Reiter sprengten vorüber, er hörte es kaum.
So saß er stundenlang regungslos, so daß die Vögel des Waldes bis dicht an ihn heranspielten. Schon stand die Sonne im Mittag.
Endlich – hörte er seinen Namen nennen. Er sah auf: Graf Teja stand vor ihm.
»Ich wußt’ es wohl«, sagte dieser, »du bist nicht feig entflohn. Komm mit zurück und rette das Reich. Als man dich heut nicht
in deinem Zelte fand, kam’s gleich im ganzen Lager aus: du habest, an Krone und Glück verzweifelnd, dich davongemacht. Bald
drang’s in die Stadt und zu Guntharis: die Ravennaten drohen einen Ausfall, sie wollen zu Belisar übergehn. Arahad buhlt bei
unsrem Heer um die Krone. Zwei, drei Gegenkönige drohn. Alles fällt in Trümmer auseinander, wenn du nicht kommst und rettest.«
»Ich komme«, sagte er, »sie sollen sich hüten! Es brach das beste Herz um diese Krone: sie ist geheiligt, und sie soll’n sie
nicht entweihn. Komm, Teja, zurück ins Lager.«
Zweite Abteilung
Erstes Kapitel
Im Lager angelangt, fand der König Witichis alles in höchster Verwirrung; gewaltsam riß ihn die drängende Not des Augenblicks
aus seinem Gram und gab ihm vollauf zu tun. Er traf das Heer in voller Auflösung und in zahlreiche Parteiungen zerspalten.
Deutlich erkannte er, daß der Fall der ganzen gotischen Sache die Folge gewesen wäre, hätte er die Krone niedergelegt oder
das Heer verlassen.
Manche Gruppen fand er zum Aufbruch bereit. Die einen wollten sich dem alten Grafen Grippa in Ravenna anschließen. Andre zu
den Rebellen sich wenden, andre, Italien verlassend, über die Alpen flüchten. Endlich fehlte es nicht an Stimmen, welche für
eine neue Königswahl sprachen: und auch hierin standen sich die Parteien waffendrohend gegenüber.
Hildebrand und Hildebad hielten noch diejenigen zusammen, welche an des Königs Flucht nicht glauben wollten. Der Alte hatte
erklärt, wenn Witichis wirklich entflohen, wolle er nicht ruhen, bis der eidbrüchige König wie Theodahad geendet. Hildebad
schalt jeden einen Neiding, der also von Witichis denke.
Sie hatten die Wege zur Stadt und nach dem Rebellenlager besetzt und drohten, jeden Abzug nach diesen Seiten mit Gewalt zurückzuweisen,
während auch bereits Herzog Guntharis von der Verwirrung Kunde erhalten hatte und langsam gegen das Lager der Königlichen
anrückte.
Überall traf Witichis auf unruhige Gruppen, abziehende Scharen, Drohungen, Scheltworte, erhobene Waffen – jeden Augenblick
konnte auf allen Punkten des Lagers ein Blutbad ausbrechen. Rasch entschlossen eilte er in sein Zelt, schmücktesich mit dem Kronhelm und dem goldnen Stab, stieg auf Boreas, das mächtige Schlachtroß, und sprengte, gefolgt von Teja, der
die blaue Königsfahne Theoderichs über ihm hielt, durch die Gassen. In der Mitte des Lagers stieß er auf einen Trupp von Männern,
Weibern und Kindern,– denn ein gotisches Volksheer führte auch diese mit sich – welcher sich drohend gegen das Westtor wälzte.
Hildebad ließ die Seinen mit gefällten Speeren in die Tore treten.
»Laßt uns hinaus«, schrie der Haufe, »der König ist geflohen, der Krieg ist aus, alles ist verloren, wir wollen das Leben
retten.«
»Der König ist kein Tropf wie du«, sagte Hildebad, den Vordersten zurückstoßend.
»Ja, er ist ein Verräter«, schrie dieser, »er hat uns alle verlassen und verraten um ein paar Weibertränen.«
»Ja«, schrie ein andrer: »er hat dreitausend von unsern Brüdern hingeschlachtet und ist dann entflohn.«
»Du lügst«, sprach eine ruhige Stimme, und Witichis bog um die Lagerecke.
»Heil dir, König Witichis!« schrie der riesige Hildebad, »seht ihr ihn da! – Hab’ ich’s nicht immer gesagt, ihr Gesindel.
Aber Zeit war’s, daß du kamst – sonst ward es schlimm.«
Da sprengte von rechts Hildebrand mit einigen Reitern heran: »Heil dir, König, und der Krone auf deinem Helm.– Sprengt durch
das Lager, Herolde, und kündet, was ihr saht: und alles Volk soll rufen: ›Heil König Witichis, dem Vielgetreuen.‹«
Aber Witichis wandte sich schmerzlich von ihm ab.–
Die Reiter schossen wie Blitze nach allen Seiten hinweg; bald scholl aus allen Gassen der donnernde Ruf: »Heil König Witichis«,
und von allen Seiten stimmten die jüngst noch Hadernden einig in diesen Ruf zusammen. Sein Blick
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