Ein Kampf um Rom
Ravennaten mit hellen Fackeln.
»Dank, meine Freunde«, sprach der König mit ernster Stimme. »Dank, für das Festgeleit. Geht nun und vollendet die Nacht«,
und er wollte die Türe schließen.
»Halt«, sprach Hildebrand, mit der Hand die Türe wieder öffnend, so daß Mataswintha sichtbar ward, »hier seht ihr, alles Volk:
der Mann und das Weib, die heut wir vermählt, sind glücklich geeint im Ehegemach. Ihr sehet Witichis und Mataswintha: und
ihren ersten ehelichen Kuß.«
Mataswintha erbebte. Sie wankte und schlug erglühend die Augen nieder. Unschlüssig stand der König in der Tür.
»Du kennst der Goten Brauch«, sprach Hildebrand laut, »so tu danach.«
Da wandte sich Witichis rasch, ergriff die zitternde Linke Mataswinthens, führte sie schnell einen Schritt vorwärts und berührte
mit den Lippen ihre Stirn. Mataswintha zuckte.
»Heil euch!« rief Hildebrand. »Wir haben gesehn den bräutlichen Kuß. Wir bezeugen hinfort den ehlichen Bund! Heil König Witichis
und seinem schönen Weib, der Königin Mataswintha.«
Der Zug wiederholte den Ruf, und Hildebrand, Graf Grippa, Herzog Guntharis, Hildebad, Aligern und der tapfre Bandalarius (Bannerträger)
des Königs, Graf Wisand von Volsinii, lagerten sich neben den sechs Frauen und Mädchen vor der Türe des Brautgemachs, welche
Witichis nun schloß. Sie waren allein.
Witichis warf einen langen, prüfenden Blick durch das Gemach. Das erste, was Mataswintha tat, war,– sein Kuß brannte auf ihrer
Stirn,– daß sie unwillkürlich soweit als möglich von ihm hinwegglitt. So war sie – sie wußte nicht wie – in die fernste Ecke
des Zimmers, an das Fenster, gelangt.
Witichis mochte es bemerken. Er stand hart an der Schwelle, die Hände auf das mächtige, breite und fast brusthohe Schwert
gestützt, das er, aus dem Wehrgehäng genommen, in der Scheide, wie einen Stab, in der Rechten führte. Mit einem Seufzer trat
er einen Schritt vor, das Auge ruhig auf Mataswintha gerichtet.
»Königin«, sprach er, und seine Stimme drang ernst und feierlich aus seiner Brust, »sei getrost! Ich ahne, was du fürchtendfühlst in zarter Mädchenbrust. Es mußte sein. Ich durfte dein nicht schonen. Das Wohl des Volks gebot’s: ich griff nach deiner
Hand: sie muß mein sein und bleiben. Doch hab’ ich schon in allen diesen Tagen dir gezeigt, daß deine Scheu mir heilig. Ich
habe dich gemieden:– und wir sind jetzt zum ersten Mal allein. Auch diese gepreßte, bange Stunde hätt’ ich dir gern erspart:
es ging nicht an. Du kennst, glaube ich, die alte Sitte des Brautgeleits. Und du weißt, in unsrem Fall liegt alles daran,
sie nicht zu verletzen. Als ich in dies Gemach trat, und die Röte in deinen Wangen aufflammen sah,– lieber hätt’ ich im ödesten
Berggeklüft dieses müde Haupt auf harten Fels zur Ruhe gelegt. Es ging nicht: Hildebrand und Graf Grippa und Herzog Guntharis
hüten diese Schwelle. Sonst ist kein Ausgang aus diesem Gemach. Wollt’ ich dich verlassen, es gäbe Lärm und Spott und Streit:
und neuen Zwist vielleicht. Du mußt mich diese Nacht in deiner Nähe dulden.«
Und er trat einen Schritt weiter vor und nahm die schwere Krone ab: auch den Purpurmantel, welchen er, ähnlich dem Mataswinthens,
über der Schulter trug, warf er ab. Zitternd, sprachlos lehnte Mataswintha an der Wand. Witichis drückte dies Schweigen: so
schwer er selber litt, ihn dauerte des Mädchens.
»Komm, Mataswintha«, sprach er. »Verharre nicht in unversöhntem Zorn. Es mußte sein, sag’ ich dir. Laß uns, was sein muß,
edel tragen und nicht durch Kleinheit uns verbittern. Ich mußte deine Hand nehmen,– dein Herz bleibt frei. Ich weiß, du liebst
mich nicht: du kannst, du sollst, du darfst mich nicht lieben. Doch glaub’ mir: redlich ist mein Herz, und achten sollst du
immerdar den Mann, mit dem du diese Krone teilst. Auf gute Freundschaft, Königin der Goten!«
Und er trat zu ihr und bot ihr die Rechte. Nicht länger hielt sich Mataswintha: rasch ergriff sie seine Hand und sank zugleich
zu seinen Füßen nieder, daß Witichis überrascht zurücktrat.
»Nein, weiche nicht zurück, du Herrlicher!« rief sie. »Es ist doch kein Entrinnen vor dir! Nimm alles hin und wisse alles.
Du sprichst von Zwang und Furcht und Unrecht, das du mirgetan. O Witichis, wohl hat man mich gelehrt – das Weib soll immer klug verbergen, was es fühlt, soll sich bitten lassen und
erweichen und nur genötigt geben, was es aus Liebe gibt,
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