Ein Kampf um Rom
grünem Laubwerk. An allen vier Seiten desselben liefen kühle Bogengänge hin, mit Apostelstatuen und Mosaik und mit
Fresken auf goldnem Grund geschmückt. All dies Bildwerk hatte den freudlosen byzantinischen Ernst: es waren symbolische Darstellungen
aus der heiligen Schrift, zumal aus der Offenbarung Johannis, dem Lieblingsbuch jener Zeit.
Feierliche Stille waltete rings. Das Leben schien weithin ausgeschlossen von diesen hohen und starken Mauern. Cypressen und
Thujen walteten vor in den Baumgruppen des Gartens, in welchem nie eines Vogels Gesang vernommen ward. Die strenge Klosterordnung
duldete die Vöglein nicht, auf daß nicht der Nachtigall süßes Rufen die frommen Seelen in ihren Gebeten störe.
Cassiodor war es, welcher, schon als Minister Theoderichs einer streng kirchlichen Richtung ergeben und biblischer Gelehrsamkeit
voll, seinem Freunde Valerius den ganzen Plan der äußeren und inneren Einrichtung seiner Stiftung entworfen – ähnlich der
Regel des Männerklosters, welches er selbst zu Squillacium in Unteritalien gegründet – und dessen Ausführung überwacht hatte.
Und sein frommer, aber strenger, der Welt und dem Fleisch feindlich abgewendeter Geist drücktesich denn im größten wie im kleinsten dieser Schöpfung aus. Die zwanzig Jungfrauen und Witwen, welche hier als Religiosä lebten,
verbrachten in Beten und Psalmensingen, in Buße und Kasteiung ihre Tage. Doch auch in werktätiger, christlicher Liebe, indem
sie die Armen und Kranken der Umgegend in ihren Hütten aufsuchten und ihnen Seele und Leib trösteten und pflegten.
Es machte einen feierlichen, poesievollen, aber sehr ernsten Eindruck, wenn durch die dunkeln Cypressengänge hin eine dieser
frommen Beterinnen wandelte, in dem faltenreichen, dunkelgrauen Schleppgewand, auf dem Haupt die weiße, enganschließende Calantika,
eine Tracht, welche das Christentum von den ägyptischen Isispriestern übernommen. Vor den oft in Kreuzesform geschnittnen
Buchsgebüschen blieben sie stehen und kreuzten die Arme auf der Brust. Immer gingen sie allein und stumm, wie Schatten glitten
sie bei jeder Begegnung aneinander vorüber. Denn das Gespräch war auf das Unerläßliche beschränkt.
In der Mitte des Gartens floß ein Quell aus dunklem Gestein, von Cypressen überragt. Marmorsitze waren in den Stein gehauen.
Es war ein stilles, schönes Plätzchen: wilde Rosen bildeten dort eine Art Laube und verbargen beinahe völlig ein finsteres,
rohes Steinrelief, welches die Steinigung des heiligen Stephanus darstellte. An diesem Quell saß, eifrig lesend in aufgerollten
Papyrosrollen, eine schöne, jungfräuliche Gestalt in schneeweißem Gewand, das eine goldne Spange über der linken Schulter
zusammenhielt; das dunkelbraune Haar, in weichen Wellen zurückgelegt, umflocht eine feingeschlungene Efeuranke: – Valeria
war’s, die Römerin.
Hier, in diesen entlegenen, festen Mauern hatte sie Zuflucht gefunden, seit die Säulen ihres Vaterhauses zu Neapolis niedergestürzt.
Sie war bleicher und ernster geworden in diesen einsamen Räumen. Aber ihr Auge leuchtete noch in seiner ganzen stolzen Schönheit.
Sie las mit großem Eifer; der Inhalt schien sie lebhaft fortzureißen, die feingeschnittenen Lippen bewegten sich unwillkürlich,
und zuletzt ward die Stimme der Lesenden leise vernehmlich:
– – »Und er vermählte die Tochter dem erzumpanzerten
Hektor –
Die kam jetzt ihm entgegen, die Dienerin folgte zugleich
ihr,
Tragend am Busen das zarte, noch ganz unmündige
Knäblein,
Hektors einzigen Sohn, holdleuchtendem Sterne
vergleichbar.
Schweigend betrachtete Hektor mit lächelndem Blicke den
Knaben.
Aber Andromache trat mit tränenden Augen ihm näher,
Drückt’ ihm zärtlich die Hand und begann die geflügelten
Worte:
›Böser, dich wird noch verderben dein Mut! Und des
lallenden Knäbleins
Jammert dich nicht, noch meiner, die bald, ach! Witwe von
Hektor
Sein wird. Bald ja werden die grimmigen Feinde dich töten,
Alle mit Macht einstürmend auf dich. Dann wär’ mir das
beste,
Daß mich die Erde bedeckt, wenn du stirbst: bleibt doch
mir in Zukunft
Nie ein anderer Trost, wenn dich wegraffte das Schicksal:
Nein, nur Trauer: lang ist mein Vater dahin und die
Mutter:
Du nur allein bist Vater mir jetzt und Mutter und alles –‹«
Sie las nicht weiter: die großen runden Augen wurden feucht, ihre Stimme versagte; sie neigte das bleiche Haupt.
»Valeria«, sprach eine milde Stimme, und
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