Ein Kampf um Rom
Flanken. Eben war Belisar aus dem
decumanischen Lagertor gesprengt und eilte nach der einen Brücke zu, als er von links und rechts die verderblichen Reitermassen
heransausen sah. Noch immer verlor der gewaltige Kriegsmann die Fassung nicht.
»Vorwärts im Galopp an die Brücken!« befahl er seinen Saracenen, »deckt sie!« –
Es war zu spät: ein dumpfer Krach, gleich darauf ein zweiter,– die beiden schmalen Brücken waren unter der Last der Flüchtenden
eingebrochen, und zu Hunderten stürzten die hunnischen Reiter und die illyrischen Lanzenträger, Justinians Stolz, in das sumpfige
Gewässer. Ohne Bedenken spornte Belisar, an dem steilen Ufer angelangt, sein Pferd in die schäumende und blutig gefärbte Flut.
Schwimmend erreichte er das andere Ufer.
»Salomo«, sagte er, sowie er drüben gelandet, zu seinen raschesten Prätorianern, »auf, nehmt hundert aus meinen Reiterwachen
und jagt, was ihr könnt, nach dem Engpaß. Überreitet alle Flüchtigen. Ihr müßt ihn vor den Goten erreichen, hört ihr?
ihr müßt!
Er ist unser letzter Strohhalm.«
Salomo und Dagisthäos gehorchten und sprengten blitzschnell davon. Belisar sammelte, was er von den zerstreuten Massen erreichen
konnte. Die Goten waren wie die Byzantiner durch den Fluß eine Weile aufgehalten.
Aber plötzlich rief Aigan: »Da sprengt Salomo zurück!«
»Herr«, rief dieser, heranjagend: »alles ist verloren! Waffen blitzen im Engpaß. Er ist schon besetzt von den Goten.«
Da, zum ersten Male an diesem Tage des Unglücks, zuckte Belisar zusammen.
»Der Engpaß verloren? – Dann entkommt kein Mann vom Heere meines Kaisers. Dann fahrt wohl: Ruhm, Antonina und Leben. Komm,
Aigan, zieh das Schwert,– laß mich nicht lebend fallen in Barbarenhand.«
»Herr«, sagte Aigan, »so hört’ ich euch nie reden.«
»So war’s auch noch nie. Laß uns absteigen und sterben.«
Und schon hob er den rechten Fuß aus dem Bügel, vom Roß zu springen, da sprengte Dagisthäos heran –: »Getrost, mein Feldherr!«
»Nun?«
»Der Engpaß ist unser – römische Waffen sind’s, die wir dort sahen. Es ist Cethegus, der Präfect! Er hielt ihn geheim besetzt.«
»Cethegus?« rief Belisar. »Ist’s möglich? Ist’s gewiß?«
»Ja, mein Feldherr. Und seht, es war hoch an der Zeit.«
Das war es. Denn eine Schar gotischer Reiter, von König Witichis gesendet, den Flüchtenden am Engpaß vorauszukommen, hatte
durch eine Furt den Fluß passiert, den Reitern Belisars den Weg abgeschnitten und vor ihnen den verhängnisvollen Paß erreicht.
Aber eben als sie dort einmünden wollten, brach Cethegus an der Spitze seiner Isaurier aus dem Versteck der Schlucht hervor
und warf die überraschten Goten nach kurzem Gefecht in die Flucht.–
»Der erste Glanz des Sieges an diesem schwarzen Tag!« rief Belisar.
»Auf, nach dem Engpaß!«
Und mit besserer Ordnung und Ruhe führte der Feldherr seine gesammelten Scharen an die Waldhügel.
»Willkommen in Sicherheit, Belisarius«, rief ihm Cethegus zu, seine Schwertklinge säubernd. »Ich warte hier auf dich seit
Tagesanbruch. Ich wußte wohl, daß du mir kommen würdest.«
»Präfect von Rom«, sprach Belisar, ihm vom Pferd herunter die Hand reichend: »Du hast des Kaisers Heer gerettet, das ich verloren
hatte: ich danke dir.«
Die frischen Truppen des Präfecten hielten, eine undurchdringliche Mauer, den Paß besetzt, die zerstreut heranflüchtenden
Byzantiner durchlassend und Angriffe der ersten ermüdeten Verfolger, die über den Fluß gedrungen,– sie hatten einen vollen
Tag des Kampfes hinter sich – in der günstigen Stellung ohne Mühe abwehrend.
Bei Einbruch der Dunkelheit nahm König Witichis seine Scharen zurück, auf dem Schlachtfeld ihres Sieges zu übernachten, während
Belisar mit seinen Feldherrn einstweilen im Rücken des Passes, so gut es gehen wollte, die aufgelösten Heeresmassen, wie sie
zerstreut und vereinzelt eintrafen, ordnete. Als Belisar wieder einige tausend Mann beisammen hatte, ritt er zu Cethegus heran
und sprach:
»Was meinst du, Präfect von Rom? Deine Truppen sind noch frisch. Und die Unsern müssen ihre Scharte auswetzen. Laß unshervorbrechen noch einmal – die Sonne geht noch nicht gleich unter – und das Los des Tages wenden.«
Mit Staunen sah ihn Cethegus an und sprach die Worte Homers:
»Wahrlich, ein schreckliches Wort, du Gewaltiger, hast du gesprochen. Unersättlicher! So schwer erträgst du’s, ohne Sieg aus
einer Schlacht zu gehn?
Weitere Kostenlose Bücher